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Fakten zur Aufführung 

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)
17. Dezember 2005
(Premiere: 8.10.05)

Theater Osnabrück

Points of Honor                      

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Politik – grausam, psychologiefrei

Es ist wie eine PR-Show der israelischen Scharon-Regierung: Die Hebräer leben ihr friedlich-vielfältiges Leben, werden von den assyrischen Terroristen hingemetzelt, das happy end erscheint als bloße Illusion. Lorenzo Fioronis Inszenierungsidee verlegt die biblische Handlung in den aktuellen Nahen Osten. Die Regie setzt auf zahllose realistische Details, die auf psychologische Entwicklungen keine Rücksicht nehmen, vielmehr das Gut/Böse-Klischee bedienen. Nabucco ist im martialischen Fellmantel der barbarische Wüterich, der durch blindwütiges Töten charakterisiert wird und nach dem Erschlagen seiner Tochter im Wahn versinkt. Man fragt sich: Warum hat die Dramaturgin Carin Marquardt ihre „Gedanken“ im Programmheft ausgebreitet?

Paul Zollers Bühne ist ein großes Zelt als Lebensraum der Hebräer mit realistisch-folkloristischen Ingredienzien oder die Gewaltzentrale der terroristischen Assyrer. Sabine Blickenstorfers Kostüme bedienen die Klischees: Hebräer in friedlichen Trachten, die Assyrer im Terroristen-Outfit – vermummt mit Sehschlitzen.

Den Sänger-Solisten bleibt der hoffnungslose Job, die verkorksten Stereotype nachzuspielen und schlussendlich an der Rampe zu singen. Das gelingt Juri Batukov als Nabucco recht stimmstark einigermaßen „rollengerecht“; doch Frank Färbers Zaccaria bleibt mit eindimensional-sonorem Bariton ohne Charisma; Louise Hudsons Abigaille ist mit unschönen Schärfen entfernt von furiosen Wut-Arien; Ricardo Tamura gelingen als Ismaele nur wenige Passagen leidenschaftlich-ambivalenten Singens; und Kristina Larissa Funkhausers klangschöner Stimme fehlt als liebender Femena die faszinierende Ausstrahlung.

Mark Rohde reduziert mit dem Osnabrücker Symphonieorchester die dramatische Wucht des frühen Verdi auf lautstarke Effekte, vernachlässigt die psychologische Vielschichtigkeit der Personen – aber das ist auch dem kruden Regiekonzept geschuldet.

Endlose Umbau-Unterbrechungen und eine unendliche Pause geben dem aufgekratzten Osnabrücker Publikum Raum zu lautstarker Konversation; diverse Situationen unfreiwilliger (?) Komik lösen bei vielen Zuschauern schäumende Heiterkeit aus (wenn z.B. eine blutige Geburtsszene mit dem Auftauchen einer Zelluloid-Puppe endet) – der Mythos des Verdi-Werks bleibt gnadenlos auf der Strecke. Es gibt eine neue Coffeebar im Eingangsbereich des Hauses; der kommunikative Wohlfühlfaktor hat sich erhöht – offenbar auch das Bedienen des Bedürfnisses nach Unterhaltung auf der Bühne und im Graben. (frs)


Fotos: © Klaus Fröhlich