Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LAVINIA A.
(Andre Werner)
26. April 2007
(Uraufführung: 15.4.07)

Theater Osnabrück

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Tickets

(0541) 76 000 76

 

zurück       Leserbrief

Gewalt als Prinzip

Shakespeares „Titus Andronicus“ und die Heiner Müller-Version „Anatomie Titus – Fall of Rome“ sind die Basis für Gerd Ueckers Libretto von Andre Werners „Lavinia A.“. Es geht um die Brutalität von Gewalt in aufsteigender Form, mit Hinrichtung, Vergewaltigung und Verspeisen der Opfer.

Kay Kuntze bleibt da in der Wahl des Inszenierungskonzepts indifferent: das grauslische Tun tendiert mal zum lakonischen Kommentar, mal zum distanzierenden Humor, mal zur knallharten Realität. So wirkt auch der Schluss mit dem eingeführten Aaron als „schwarzer Seele“ nur als Episode, und nicht als der Aufruf zur Suche nach den Abgründen der erlebten Gewalt-Spirale.

Frank Michael Zeidler baut einen gestuften Kommunikationsraum mit einer Projektionsfläche für Videos, die von filmischen Assoziationen unterschiedlicher Provenienz bis zu spontanen Overhead-Imaginationen reichen – wenn diese denn auch spontan gewesen wären. Ein beklemmender Eindruck existentiell bedrohender Gewalt wird jedenfalls nicht nachvollziehbar.

Dazu leistet die artifiziell-kalkulierte Musik Andre Werners allerdings die angemessene Vorlage: Zwar vermitteln gezielt eingesetzte Instrumente, elektronisch verstärkte Klänge und aus dem Off eingespielte Geräusche ein spannungsreiches Klangerlebnis, doch bleibt dies ohne emotionalisierende Brisanz.

Vor allem die Gesang-Stimmen werden in ihren Möglichkeiten vernachlässigt.

Das Osnabrücker Symphonieorchester bewältigt die Herausforderungen vor allem an Bläser und Schlagwerk mit Bravour: Hermann Bäumer hält Orchester und Solisten in bewundernswerter Balance. Dazu sind die Ton-Einblendungen perfekt abgestimmt (die Verantwortlichen tauchen auf dem Besetzungszettel nur unter ferner liefen als Tontechnik auf).

Für die Gesang-Solisten ist der sprech-zu-singende Text eine enorme Herausforderung. Statt des unbeholfen zwischen Papiersprache und hohlen Phrasen pendelnden Librettos von Gerd Uecker hätte sich Andre Werner besser für Shakespeare oder Heiner Müller entscheiden sollen. Genadijus Bergorulko hat als ambivalenter Titus wenig Gelegenheit zu stimmlicher Emotionalität; Eva Schneidereit kann der Tamora immerhin ansatzweise den Charakter einer leidend-rächenden Königin verleihen; Karen Fergurson gelingt es, der gequälten Lavinia anrührende Töne abzugewinnen; allein Yoonki Baek als Aaron hat die Chance zu prononziert-emotionaler Stimmentfaltung. Der Chor beeindruckt mit kollektivem Gestaltungswillen, lässt jedoch bisweilen die Geschlossenheit im geforderten Gesamteindruck vermissen.

Das Osnabrücker Publikum steht dem Gehörten und Gesehenen relativ ratlos gegenüber; die eher spröde Einführung wird nur von einem Bäckerdutzend Interessierter wahrgenommen - und im spärlich besetzten Haus gibt es viele, die sich nicht in der Lage sehen, 80 Minuten lang Ungewohntes zu rezipieren.

Dennoch: Das Theater Osnabrück leistet einen kompetenten Beitrag zur konkreten Diskussion über die Zukunft des Musiktheaters! (frs)


Fotos: Klaus Fröhlich