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Fakten zur Aufführung 

LES DIALOGUES DES CARMELITES
(Francis Poulenc)
2. Februar 2007
(Premiere: 13.1.07)

Theater Osnabrück

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Ängste - modern

Gertrud von Le Forts tief-katholisches Märtyrer-Drama wird in der gnadenlos-ahistorischen Inszenierung von Lorenzo Fioroni zu einem beklemmenden Zeitstück zynischer Unterdrückung weiblicher Emotionalität und hemmungsloser Ansprüche inhumaner Pop-Kultur. Die von Vater und Bruder missbrauchte Blanche flüchtet in den Karmel, landet dort in einer Art big-brother-Container und wird am Ende Opfer einer gnadenlosen Show.

Irritierend für die Zuschauer sind die per Display vermittelten Originaltexte, die mit ihren zentralen Begriffen Gebet, Glaube, heilige Angst und Märtyrertum keine erwartete Entsprechung mit dem scheinbar erotisch-lustvollen Bühnengeschehen finden.

Ein gutes Dutzend ablehnender Ignoranten verlässt zur Pause das Haus mit der Attitüde selbstgerechter Prolls - unterscheidet sich damit von der betroffen-reflektierenden Mehrheit im durchaus gut besetzten Osnabrücker Haus.

Paul Zollers nahezu klaustrophobische Bühne kulminiert in der (Hinrichtungs-)Schluß-Szene mit Pop-Ikonen und Designer-Guillotinen , lässt die Verlorenheit von Frauen als zerstörte Objekte brutaler Ausbeutung deutlich werden .

Die erotisierenden Kostüme Sabine Blickenstorfers verstärken diesen lastenden Eindruck sexuellen Missbrauchs .

Natalia Atamanchuk verkörpert eine traumatisierte Blanche; Eva Schneidereit verleiht der Marie „gläubigen“ Aktionismus; Iris Marie Kotzian ist die naive Constance; Suzanne McLeod verkörpert Selbstsicherheit und existentielle Angst der Priorin; Karen Fergurson gibt der neuen Priorin verzweifelte Attitüden; und Yoonki Baek demonstriert die kaputte Psyche des de la Force in höchster Intensität. Entsprechend der darstellerischen Emotionalität sind die sängerischen Leistungen - da gibt es im bewundernswerten Osnabrücker Ensemble wahre Spitzentöne zu hören, und das gilt für alle Akteure!

Das Osnabrücker Symphonieorchester ist auf die komplex changierende spätromantisch-impressionistisch-moderne Klangwelt Poulencs bestens eingestellt (verpatzt allerdings viele Einsätze) und glänzt unter dem aufmerksamen Till Drömann mit vibrierenden sinfonischen Zwischenspielen.

Dem wagemutigen Osnabrücker Haus gelingt im Schatten des Doms eine nicht–klerikale, aber auch nicht-blasphemische Sicht auf ein Drama der Ängste - bewundernswert! (frs)


Fotos: © Uwe Lewandowski