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Fakten zur Aufführung 

DIE ZARENBRAUT
(Nikolaj Rimskij-Korssakow)
17. Juni 2009
(Premiere: 13. Juni 2009)

Theater Osnabrück


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Totale Gewalt

Bedrängende Ikonenwände, zaristische Leibgarden im Rocker-Outfit, brennende Gebäude, zerstörte Menschen: Kay Kuntze inszeniert Rimskij-Korssakows „Schauerdrama“ als beklemmende Abfolge totaler Gewalt. Er widerlegt das Vorurteil, hier werde ein monströses Sittenbild der Zeit Iwans des Schrecklichen zum bluttriefenden spätromantischen Selbstzweck. Staats-Terrorismus, Betrug, Vergewaltigung werden zum Pandämonium einer von Gewalt beherrschten Gesellschaft, in der wahre Gefühle – und der Wunsch nach zivilem Leben – keine Chance haben. Kuntze gelingt es, Brutalität zu demonstrieren, ohne zu plakativ-degoutanten Mitteln zu greifen, beschränkt sich auf hoch assoziative Andeutungen – verbreitet über zweieinhalb Stunden aber dennoch eine sich ständig steigernde Atmosphäre unausweichlicher Bedrohung.

Martin Fischers Bühne mit den Szene beherrschenden Ikonostasen öffnet sich zum Finale zu einem weiten Rundhorizont – das Opfer im Wahn allein unter dem ewigen Himmel.

Das Osnabrücker Symphonieorchester interpretiert unter dem sensibel leitenden Marius Stieghorst die so gar nicht „gefällige“ Musik Rimskij-Korssakows im Stil expressiver Handlungs- und Emotions-Begleitung. Es wird „klassisch“ musiziert, ohne Aufbegehren á la Mussorgski, dafür mit viel romantisierenden Anleihen, orchestralen Elementen wie bei Tschaikowski, eruptiven Momenten im Strauss-Duktus – bravourösen Crescendi und romantisierenden Piano-Passagen.

Natalia Atamanchuk ist eine hinreißend liebende und leidende Marfa, Braut des Lykow, Besitz ergreifend verfolgt vom zaristischen Leibgardisten Grjasnoi, eifersüchtig belauert von der Rivalin Ljubascha, dann vom Zaren als Braut erwählt, im Wahnsinn endend. Das Tohuwabohu der Empfindungen wird mit einem ausdrucksstarken Sopran zu einem Inferno seelischer Vernichtung – kulminierend in der finalen Wahnsinns-Szene mit höchster stimmlicher Präsenz. Eva Schneidereit verleiht mit ihrem differenzierenden Mezzo der gedemütigten, rachedürstenden Rivalin Ljubascha faszinierenden Nachdruck. Yoonki Baek gibt dem liebenden Lykow fast elegischen Charakter, ist konfrontiert mit den brachialen Attitüden des Opritschniks Grjasnoi von Daniel Moon. Genadijus Bergorulko gibt dem Terror-Boss Grigori kernige Artikulation; Frank Färber ist mit stimmlicher Variabilität Marfas Kaufmanns-Vater, interpretiert devote Angepasstheit und hoffnungslose Verzweiflung souverän stilsicher; Christophe Mortagne ist ein stimmlich und darstellerisch opportunistisch-flexibler Bomeli – und die weiteren Rollen sind in Osnabrück außerordentlich kompetent besetzt! Dazu glänzt der Chor (Leitung Peter Sommerer) mit intensivem Spiel und beeindruckendem Zusammenklang. Nicht zu vergessen: Die ungemein schlüssige dramaturgische Bearbeitung des 1899-Opus von Carin Marquardt.

Das Osnabrücker Publikum ist nach einigen Momenten der „Einfühlung“ total gebannt von stimulierender Atmosphäre und assoziativen Charakteren sowie von emotionalisierendem Gesang und Spiel sowie der überwältigenden Musik. Riesen-Applaus am Schluss. Das Theater Osnabrück hat sich – erfolgreich – verdient gemacht um ein offensichtlich zu Unrecht diskriminiertes Werk des Musiktheaters! (frs)

 






 
Fotos: Theater Osnabrück