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Fakten zur Aufführung 

OPER(ETTE)
(Mario Wiegand)
7. März 2009 (Uraufführung)

Theater Osnabrück


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Gesellschaft querbeet

Für Witold Gombrowicz, den 1969 gestorbenen polnischen Schriftsteller, war die Operette die glücklichste Form von Theater – dank ihres „göttlichen Idiotismus, ihrer himmlischen Sklerose, ihrer herrlichen Beflügeltheit durch Gesang, Tanz, Geste, Maske“. Und so schrieb Gombrowicz ein Theaterstück namens „Operette“, das 1966 uraufgeführt wurde.

Ein Stück, aus dem die Musik quasi schon heraustönt, meint Osnabrücks Operndirektorin Carin Marquardt. Und sie hat Recht. Dialoge, Ensembles, Massenszenen – in der literarischen Vorlage steckt Potenzial zu einem quirligen Musiktheater. Der 1970 in Chemnitz geborene Komponist Mario Wiegand hat es ausgeschöpft, hat es freigelegt. Nun gelangte Wiegands Musiktheater namens „Oper(ette)“ im Osnabrücker Theater zur Uraufführung.

Knallbunt, ja geradezu schrill wirbeln die Akteure da über die Bühne. Graf Charme zum Beispiel, eine Art Don Giovanni, der die lange Liste der von ihm Verführten weiter auffüllen will. Oder sein Gegenpart, Baron Firulet, der das gleiche will. Beide gehören zu einer wilden Menschenmischung aus Typen von „ganz oben“ und „ganz unten“. Mittendrin der glücklose Modeschöpfer Meister Fior; desweiteren ein Professor, der verdächtig nach Jean-Paul Sartre aussieht und ein Graf Hufnagel - beide träumen von der Revolution. Und da ist auch ein Pfarrer, ein General, ein dümmliches Paar aus Prinz und Prinzessin - Gesellschaft querbeet also. Eine, die gerade an ihrer Dekadenz zu Grunde geht.

Und da kommt tatsächlich die Revolution, das Chaos bricht aus. Die neue Mode? Sieht aus wie die der Mächtigen und Verbrecher, der Unterdrückten und Kämpfer aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Gombrowicz liefert keine stringente Erzählung, stattdessen einzelne Episoden, deren klamaukhafte Züge in Andrea Schwalbachs Inszenierung bis auf die Spitze getrieben werden. Mario Wiegands Partitur schöpft selbstverständlich aus dem Fundus der bekannten Operetten-Schätzchen: viel Walzer, etwas Tango, ein Czárdás, mal etwas à la Offenbach, mal frech Ironisches wie bei Strawinsky. Für Dirigent Hermann Bäumer und die Osnabrücker Symphoniker ein Fest: temperamentvoll purzelt die Musik aus dem Orchestergraben. Gesungen wird mit großem Gespür für den speziellen Tonfall der Operette. Ganz ausgezeichnet präsentiert Anja Meyer ihren funkelnden Sopran als Albertinchen, jenem zarten Geschöpf, das mit ihrem naiven, aber laut und bestimmt vorgetragenen Willen zur Nacktheit alle hergebrachten gesellschaftlichen Mechanismen zum Einsturz bringt. Eva Schneidereit sieht als Modezar Fior mit ihrem angeklebten Bart aus wie Strawinskys „Türken-Baba“, Natalia Atamanchuk ist eine hinreißende Prinzessin Himalaj, Kolja Hosemann (Baron Firulet) und Marco Vassalli (Graf Charme) gehen prächtig auf in ihren Rollen.

Osnabrücks Premierenpublikum fühlte sich bestens unterhalten, bejubelte das Regie-Team, die Solisten und nicht zuletzt den Komponisten, der seinen Beifall Kaugummi kauend entgegennahm.

Christoph Schulte im Walde
 








 
Fotos: Uwe Lewandowski