Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

NEDA - DER RUF
(Nader Mashayekhi)
13. März 2010 (Uraufführung)

Theater Osnabrück


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Plädoyer für Freiheit und Gleichberechtigung

Dieses Bild flimmert jeden Abend über die Mattscheibe: verhüllte Frauen, ohne jeden Anschein von Individualität, beherrscht und herumkommandiert von Männern. Alltag überall dort, wo aus europäischer Sicht noch steinzeitliche Verhältnisse herrschen. Ein schwer nachvollziehbares Frauenbild, das nun auf der Opernbühne problematisiert wird. Am Samstag brachte das Theater Osnabrück Neda – Der Ruf zur Uraufführung. Presse, Funk und Fernsehen waren reichlich vertreten und neugierig auf das Werk des 1958 in Teheran geborenen Komponisten Nader Mashayekhi.

Mashayekhi geht weit zurück in die persische Geschichte, begegnet dem noch heute hoch verehrten, 1209 gestorbenen Dichter Nizami und seinen Märchen über Fitna, Nuschabe und Turandot (die Puccini bereits veropert hat). In allen dreien spiegeln sich die subversiven Utopien des Dichters: Visionen von Gleichberechtigung, vom Ende männlicher Unterdrückung, vom Bruch mit dem einem Betonklotz gleichenden Gesetz, dass die Frau sich unterzuordnen hat. Nizamis Dichtung ist Sprengstoff, bis heute. Und seiner Botschaft stimmt man vorbehaltlos zu.

Leider wird im Libretto von Nadja Kayali und Angelika Messner diese Botschaft allzu holzhammmerartig verbreitet und dem Rattern einer Nähmaschine gleich wiederholt. Jegliche psychologische Ausdeutung unterbleibt.

Regisseurin Carin Marquardt inszeniert passend dazu auf einer einfach strukturierten Bühne von Martin Fischer: zwei meterhohe schwarze Wände, rechtwinklig zueinander stehend wie Gefängnismauern. Ganz oben großzügige Sehschlitze für all die Männer, die eine Gruppe von Frauen beobachten. Marquardts Bilder sind plakativ und wollen das Libretto untermauern.

Neda – das ist auch der Vorname einer regimekritischen Studentin, die im vergangenen Jahr in Teheran auf offener Straße erschossen wurde. Ein Schock, der ihn mitten in der Arbeit an seiner Oper ereilte, so Nader Mashayekhi. Doch für das Bühnengeschehen hat dieser sinnlose Tod keine erkennbare Relevanz. Erklärtes Ziel der Oper: dem Jahrhunderte alten Ruf nach Freiheit der Frau eine Stimme zu geben.

Aus dem archaisierenden Beginn mit seinen statischen Klängen entwickelt sich ein breiter musikalischer Strom, der trotz einer Vielzahl kleiner und kleinster Aktionen insgesamt doch recht gleichförmig vorüberzieht. Dirigent Daniel Inbal hat die schillernde Musik fest im Griff, ganz herausragend wird gesungen: vom Opernchor, den Peter Sommerer perfekt vorbereitet hat. Auch die acht Solisten, die so manche technische Klippe zu meistern haben, obgleich Mashayekhi sehr sanglich komponiert, bieten meisterhafte Leistungen.

Das gilt für Sang-Eun Shim als Gelehrter ebenso wie für Genadijus Bergorulko als Ältester und für Mark Hamman als eiferndem Freund – dies die drei kleineren Partien.

Umfangreichere Aufgaben haben Natalia Atamanchuk als Fitna und Lina Liu als Turandot zu bewältigen. Das gelingt ihnen mit Strahlkraft und sehr überzeugend. Anja Meyer ist die sich auflehnende Apak mit einer imponierenden Unbeugsamkeit in der Stimme. Toll auch Eva Schneidereit als Amazonenkönigin, die durch ausgeprägte Bühnenpräsenz besticht. Marco Vassalli schließlich ist der Dichter Nizami und punktet mit seinem volltönenden, warmen und ausgeglichenen Bariton.

Insgesamt ist die Uraufführung in Osnabrück ein politisches Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frau, hinterlässt aber wenig nachhaltigen Eindruck. Assoziationen werden geweckt an ein Agit-Prop-Theater, dessen Zeit aber doch irgendwie schon länger vorbei ist.

Seiner Wirkung völlig beraubt wird der zarte Beginn der Musik: eine penetrante Dauerhusterin mit ihrem minutenlangen Solo weiß offenbar nichts von dem ungeschriebenen Verhaltenskodex, folgt offenbar ihrem eigenen: „ich bin so frei“. Die restlichen achtzig Minuten steht das Publikum konzentriert durch, zeigt sich äußerst beeindruckt von Szene, Gesang und Musik. Begeisterter Applaus, auch für Nader Mashayekhi. Dass sein Werk vom Osnabrücker Haus in Auftrag gegeben wurde, ist eine Tatsache, die nicht einfach vom Himmel fällt sondern Frucht einer jahrelangen Beziehung ist. Im Rahmen des „Morgenland-Festivals“ gastierte 2006 erstmals das „Tehran Symphony Orchestra“ in der Domstadt, die Osnabrücker unternahmen im Gegenzug eine viel beachtete Tournee in die iranische Hauptstadt. Ein Brückenschlag zwischen zwei Kulturen, wichtiger denn je. „Neda – der Ruf“ ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg.

Christoph Schulte im Walde

Hinweis: Übertragung der Uraufführung NEDADER RUF (und der Komponist Nader Mashayekhi darüber im Gespräch) am 20. März 2010, 19.05 Uhr im Deutschlandradio Kultur („Oper in deutschen Ländern“).










 
Fotos: Klaus Fröhlich