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Fakten zur Aufführung 

GRAND HOTEL
(Forrest/Wright/Yeston)
4. Mai 2008
(Premiere: 26. April 2008)

Theater Osnabrück


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Lauter Individuen

Berlin im Jahr 1928: das ist eine pulsierende Weltmetropole voller Bewegung und Geschäftigkeit. Die Menschen darin: jeder ein kleines Individuum, eintauchend in den Taumel der Zeit, überschwemmt von ihm. Die Gäste im vornehmen Grand Hotel sind ein Abbild dieser großstädtischen Gesellschaft, die Vicki Baum 1929 in Menschen im Hotel lebendig werden lässt. Aus diesem Roman entstand kurze Zeit später eine Theaterfassung, die 1932 am Broadway herauskam und ein Riesenerfolg wurde. George Forrest, Robert Wright und Maury Yeston wiederum machten daraus ein Musical.

Das Berliner Hotelfoyer im Jahr 1928: da tummeln sich Typen, die eine zufriedene Fassade vor sich her tragen – aber im Grunde samt und sonders bedauernswerte Gestalten sind. Irgendwie, irgendwo auf der verzweifelten Suche nach etwas Glück. Frieda Flamm, die arbeitslose Tippse, träumt vermessen davon, als Filmstar in Hollywood Karriere zu machen. Ein Baron mit dem schön klingenden Namen Felix Amadeus Benvenuto von Gaigern wohnt in einer Hotelsuite, die er längst nicht mehr bezahlen kann und der sich nur mit Mühe vor seinen Gläubigern zu retten versucht. Elisaweta Gruschinskaja, die abgehalfterte Primaballerina, seit acht Jahren auf Abschiedstournee, will ihre letzten Juwelen verhökern, um an Bares zu kommen.

All diese Typen kommen miteinander in Kontakt, wenn nicht gar in direkte Verbindung zueinander. Generaldirektor Hermann Preysing, ein wenig ohne Success bei seinen Amerika-Geschäften und deshalb unter Druck bei denen, die dicke Rendite sehen wollen, lebt sein Beherrschen-Wollen an Frieda Flamm aus. Otto Kringelein, Preysings todkranker Ex-Buchhalter, dem nur noch wenig Zeit zu leben bleibt, will ein einziges Mal den Duft der glitzernden Welt der Reichen und Schönen schnuppern.

Dies alles sind Menschen, denen man spontan und ohne groß den Verstand zu befragen Mitleid entgegenbringt. Leute, die nach außen hin freundlich lächeln – aber im Innersten tief mit ihren Enttäuschungen und Verlusten, mit der Vorstellung von Abschied, Krankheit, Tod zu kämpfen haben. All das machen die knapp drei Musical-Stunden auch deutlich. Und von Anfang an wird klar: diese Story ist aktuell, höchst aktuell. Bonzen, die Konzerne gegen die Wand fahren; Hochstapler mit krimineller Energie; drittklassige Schlagersternchen, die von einer Filmkarriere delirieren. Und auf der Rückseite des gepflegten Hotelfoyers, sozusagen unten im Keller: die Tellerwäscher, die für Hungerlöhne malochen! Das kommt einem doch ziemlich bekannt vor!

Regisseur Matthias Davids setzt das Ganze in Szene auf Knut Hetzers pfiffiger Drehbühne, die abwechselnd den Blick auf Foyer und intime Zimmer, auf Draußen und Drinnen richtet. Melissa King ist verantwortlich für eine Choreographie, die erstaunlich konventionell daherkommt, die die Zwanziger Jahre zitiert, aber kaum ins Heute transportiert.

Musikalisch bietet sich ein eher enttäuschendes Bild: hier mischen sich Mitglieder des Osnabrücker Opernensembles mit Gästen, die als Musical-SängerInnen engagiert wurden. Gerade die letzteren fallen hinter das Niveau der Opern-Profis deutlich zurück. Gaines Hall als Baron von Gaigern singt oft flach, eindimensional, sehr weit vorn und stentorhaft. Carina Sandhaus als „Flämmchen“ liefert wenig tragfähigen Klang, auch Christina Dom als Gruschinskaja verfügt über eher bescheidene Substanz. Von ausgewiesenen Musical-Spezialisten hätte man auf jeden Fall mehr erwarten dürfen. Wie es richtig geht, zeigen Mark Hamman als Buchhalter Kringelein und Eva Schneidereit als Ballerina-Vertraute.

Till Drömann, obgleich temperamentvoll und mit Drive dirigierend, kann dem sängerischen Manko wenig aufhelfen. Auch nicht der Musik von Forrest, Wright und Yeston. Die wiederholt schlicht und (sehr) einfach, was Größen wie Frederic Loewe und John Kander zu ihrer Zeit besser gemacht haben.

Das Publikum der zweiten Repertoire-Vorstellung – bunt gemischt, doch in der Überzahl jung und offensichtlich heiß auf ein fetziges Musical – spendet immer wieder zielgenau Szenenapplaus. Aber der große Enthusiasmus kommt am Ende dann doch nicht auf. Beachtlich, dass sehr genau differenziert wird bei der Akklamation der jeweiligen sängerischen Leistungen.

Christoph Schulte im Walde







 
Fotos: Klaus Fröhlich