Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
25. September 2010 (Premiere)

Theater Osnabrück


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Kraftwerk der Gefühle - hörbar

Die Bühne: eine völlig leere Fläche, rechts und links begrenzt nur von zwei hohen Wänden. Eine weiß, die andere schwarz. Später werden sie aufeinander zulaufen und verkleinern so den Raum, auf dem sich das Personal in Puccinis Madama Butterfly bewegt. Yin und Yang auf Japanisch – auch die Kostüme zitieren dieses alte Symbol für gegensätzliche Prinzipien.

Zwei Welten prallen in Puccinis Oper aufeinander. Und das macht die Inszenierung von Nanine Linning auch schlagend deutlich. Hier Cio-Cio-San alias Butterfly, ihrer japanischen Tradition höchst bewusst, dort Pinkerton, den sie liebt und der sie auch heiratet – aber alsbald schon wieder vergessen hat. Butterfly ist für ihn, den stolzen Amerikaner, nichts weiter als nur ein nettes Spielzeug.

Nanine Linning, seit einem Jahr überaus erfolgreiche Chefin der Dance Company Theater Osnabrück, legt nun ihre erste Opernregie vor. „Tanzoper“ heißt es im Programmheft. Stimmt genau, denn was auf der Bühne passiert, passiert in Bewegungen, in gestischen Andeutungen, nicht in Form einer szenischen Umsetzung der Opernhandlung. Ein nicht unproblematisches Konzept, gerade für eine Oper wie die Butterfly, in der die Emotionen, die großen Gefühle von tiefster Enttäuschung und höchstem Glück regelrecht hoch kochen. Da können Linnings Versuche der Transformation von Emotion in tänzerische Bewegung nicht immer überzeugen. Auch wenn sie jeder Figur einen eigenen, charakteristischen Bewegungsablauf zuordnet, gelingt es ihr nicht, daraus Figurenprofile und -konstellationen entstehen zu lassen. Oper ist mehr als die Umsetzung von Musik und gesungenem Wort in Bewegung. Distanz und Kühle prägen die gesamte Aufführung, selbst in Augenblicken größter Spannung, etwa wenn Butterfly die Ankunft ihres so sehr geliebten Pinkertons erwartet.

Linning gelingen Bilder von bezwingender Schönheit, diese aber sind nur Momentaufnahmen. Zu erleben ist eine Tanzoper im Zeitlupentempo mit typisierten Menschen ohne viel Fleisch und Blut. Das eigentliche Kraftwerk der Gefühle ist in dieser Produktion nicht sichtbar sondern hörbar. Generalmusikdirektor Hermann Bäumer und das Osnabrücker Symphonieorchester entwickeln einen Puccini-Klang von enormer Sogkraft. Mit wunderbar samtigen Streichern, exquisitem Holz, brillantem Blech. Formidabel.

Auch die Solisten auf der Bühne, von denen ganz neue, nämlich tänzerische Qualitäten verlangt werden, geben alles. Vor allem Lina Liu gestaltet die Titelpartie mit immenser Leidenschaft und Gespür für Dramatik. Ihre großen Monologe sind bezwingend intensiv und gehen unter die Haut. Daniel Moon macht als Konsul Sharpless eine ausnehmend gute Figur – sein ebenmäßiger, sehr nobler Bariton zeigt Mitleid mit der geschundenen Butterfly. Eva Schneidereit zeichnet die treu ergebene Zofe Suzuki mit wohltuender balsamischer Tiefe, Bernardo Kim ist ein in Sachen Durchsetzungskraft noch ausbaufähiger Pinkerton. Ihm fehlt es grundsätzlich noch an stimmlicher Größe für diese Rolle. Mark Hamann gibt den Goro herrlich penetrant. Der Osnabrücker Chor macht seine Sache unter seinem neuen Leiter Holger Krause ganz prima und fügt sich problemlos ein in dieses Tanztheater-Konzept.

Der Premierenjubel kannte keine Grenzen. Nanine Linning hat mit dieser eigenwilligen Madama Butterfly ein Publikum erreicht, dem dieser Zugang zum Musiktheater gefällt und einen Nerv getroffen, der mehr auf große Bilder denn auf psychologische Handlungsdeutung setzt.

Christoph Schulte im Walde

 











Fotos: Kalle Kuikkaniemi