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Fakten zur Aufführung 

DIE DREIGROSCHENOPER
(Kurt Weill/Bertolt Brecht)
10. Januar 2008
(Premiere: 3. Februar 2007)

Theater Osnabrück


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Neurosen - sonst nix

Zu erleben ist nicht die Dreigroschenoper von Brecht/Weill, sondern ein Zerrbild totaler Neurosen, eine Farce karikierter Körperlichkeit, ein verblüffendes Spektakel, mit dem das Theater versucht, sich von seiner eigenen Identität zu befreien. Die Brecht-Texte: demontiert, neurotisch verfremdet, durch Lallen ersetzt. Die Musik: arrangiert, instrumentalisiert, variiert bis zur Unkenntlichkeit, im Effekt trivial und belanglos. „Die Schauspieler sind weiß geschminkt, schreien ununterbrochen und gestikulieren wie die Wahnsinnigen“ – Ingmar Bergmann 1987 (!) – Bühnen-Realität in Osnabrück 2008.

Aus provozierender Dekonstruktion und elementarer Körperlichkeit wird eine Konvention des Tabubruchs, wird ein Stereotyp des gewollten Protests – das Stück wird zum benutzten Objekt, der Zuschauer zum Gegenstand obsessiver Zerstörung von Sehgewohnheiten.

Auf einer imposanten Stufen-Architektur von Martin Fischer, die sich aus dem Orchestergraben in zwei Etagen mit einem Rostrum und zwei Spielflächen bis zur Bühnenrückwand aufbaut, gibt es Gelegenheiten zu permanentem Auf und Ab, zum Sitzen, Verharren, Stolpern, Rasen und Taumeln.

Regisseur Wolfram Apprich lässt das bewegliche Ensemble denn auch hemmungslos agieren, lässt ihnen die Chance zu selbstverliebtem Chargieren, zum Tun Als-Ob, zum fast peinlichen Schauspieler-Spielen. Unterbrochen wird dieser Furor ab und an durch das Absingen der Brecht/Weill-Songs, die aber wie lästige Intermezzi wirken, als neurotische Ausbrüche, nicht als ästhetisch sinngebende Konstrukte.

Sven Kerschek hat die „musikalische Leitung“, Till Drömann ist der „bandleader“, und die Musiker sitzen auf der „ersten Etage“, intonieren als Bar-Combo, sympathischerweise Zigaretten rauchend und Bier trinkend, aber natürlich auch mit entsprechend lakonisch-indifferenter Attitüde.

Clemens Dönicke ist ein Macheath als Otto/Kinski-Mischung, Christina Dom eine hysterische Polly, Nicole Averkamp eine Mrs. Peachum als süchtige Schnapsdrossel, Thomas Schneider ein konturloser Peachum, Oliver Meskendahl ein wabbeliger Brown, Julia Köhn eine klischeehafte Lucy, und Sophie Lutz eine brave Jenny, die nicht mal ihr Lied singen darf -- allesamt neurotische Figuren, sonst nix. Und wenn sie mal außer rotziges Sprechen abzulassen auch mal singen, dann gerät das zur schrillen Verballhornung der Weill-Musik. Die brutal konsequente Regie hat sie alle auf „Verrücktheit“ reduziert, lässt keine Chance für Differenzierungen.

Kommunikation mit dem Publikum findet nicht statt, ist auch wohl nicht beabsichtigt. Theater soll offenbar etwas Fremdes sein, das Publikum mit einer fremden Welt konfrontieren. Und das wird dann doch von vielen akzeptiert – die negative Dialektik dieser Art von Theater hat ihre Wirkung. Doch bleibt die Frage nach dem So What? (frs)

 






Fotos: Theater Osnabrück