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Fakten zur Aufführung 

DON CARLO
(Giuseppe Verdi)
13. September 2008 (Premiere)

Theater Osnabrück


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Drama ohne Biss

Don Carlo ist ohne Zweifel eines der ganz großen Meisterwerke der Opernliteratur. Giuseppe Verdi gelingt es hier durch seine aufwühlende, ergreifende und immer wieder faszinierende Musik, den historischen Figuren aus Schillers Drama Leben und Gefühl einzuhauchen. Hier lieben sie, hier leiden sie und verzweifeln an moralischer und gesellschaftlicher Starre.

Don Carlo ist eine ganz große Aufgabe für ein Theater. In Osnabrück stellte man sich der Herausforderung und besetzte bis auf wenige Ausnahmen alle Rollen aus dem eigenen Ensemble. Und alle gingen sehr bemüht und konzentriert an ihre Partien heran, waren sich ganz deutlich der Verantwortung bewusst, die auf ihnen lastete: Yoonki Baek etwa haushaltete klug mit seiner Stimme und konnte so bis zum Ende bestehen, obwohl die Titelpartie für ihn sicher noch zu früh kommt. Susanne Schubert als Elisabeth, Stiefmutter und Geliebte Carlos zugleich, konnte gerade in ihrem Schlussmonolog punkten und die farblichen Möglichkeiten ihres Soprans zeigen. Daniel Moon, wie Schubert neu im Osnabrücker Ensemble, ging den Marquis Posa in Manier eines Konzertsängers an, zeigte erstaunlich wenig Emotionen, muss auch noch deutlich an Kraft gewinnen. Das gilt ebenso für Frank Färber, der den König Philipp sehr eindimensional ausgestaltete. Wirkliches Verdi-Feeling – man spielt die vieraktige italienische Fassung - verbreiteten nur die Gäste. Natalya Myzyuk als Prinzessin Eboli gelang mit ihrer großen Reue-Arie ein Moment, an dem wirklich große Emotionen erfahrbar wurden, wo Funken schlugen hinein ins Publikum. Die gereifteste Leistung des Abends aber zeigte Marek Wojciechowski, der in seinen Auftritten als Großinquisitor mit seinem raumgreifenden Bass die ganze Allmacht und ständige Präsenz der katholischen Kirche im habsburgischen Spanien verströmte.

Über solche auch schauspielerische Präsenz wie Wojciechowski verfügten die meisten übrigen Darsteller allerdings nicht. Verschärfend hinzu kam die von Regisseur Klaus Dieter Kirst vorgelegte Personenführung, die keine war: die schöne Einheitsbühne von Frank Hänig - rote Säulen umrahmen einen leeren Raum und stellen abwechselnd Kloster, Garten und Palast dar - hätte Möglichkeiten geliefert, Beziehungen zu verdeutlichen. Dem Regisseur gelang es allerdings in keiner Szene, weder diesen Raum sinnvoll zu füllen noch eben jene interessanten Personenkonstellationen zu interpretieren, von denen Verdis Don Carlo lebt. Kirst lässt seine Protagonisten hin und her eilen, dann erstarren sie zu den immer wieder gleichen einfältigen Posen. Ein wirkliches Regiekonzept? Fehlanzeige! Auch Massenszenen scheinen nicht Kirsts Sache zu sein. Hölzern bewegt er den Osnabrücker Chor (gut einstudiert von Peter Sommerer), der zum Autodafé – einem der tollsten Möglichkeiten zu packender Regiearbeit, die Kirst auch hier gnadenlos verschenkt – müde das Portrait des Königs hin und her bewegt. Die Leichensäcke, die dazu an der Decke entlang fahren, machen wenig Eindruck.

Immerhin: Hermann Bäumer und sein Osnabrücker Orchester spielen sehr animiert und langen ordentlich zu, wenn es dramatisch und (zumindest in der Musik) aufregend wird – wie etwa beim Autodafé.

Dennoch: dem Osnabrücker Don Carlo wäre zu wünschen, dass die Darsteller weiter an ihren Rollen arbeiten und sie differenzierter gestalten. Sie sind auf einem guten Weg, das ist keine Frage. Zu hoffen wäre, dass auch der Regisseur seine Arbeit als work in progress auffasst, denn eine schlüssige Interpretation ist das, was er in Osnabrück vorgestellt hat, sicher nicht.

Thomas Hilgemeier

 






Fotos: Klaus Fröhlich