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Fakten zur Aufführung 

DEATH KNOCKS
(Christian Jost)
DER KAISER VON ATLANTIS
(Viktor Ullmann)
4. September 2010 (Premiere)

Oldenburgisches Staatstheater


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Zwei Mal Tod

Zwei Annäherungen an das Thema Tod stellte Regisseur Alexander Müller-Elmau einander an die Seite, oder besser: gegenüber.
Da ist zunächst der Tod eines Individuums, den Christian Jost nach Woody Allens Schauspiel Death Knocks komponierte. Hier ringt der Kleiderfabrikant Nat Ackermann mit dem Tod, der hier in weiblicher Gestalt auftritt und ihn ins Jenseits holen will. Am Ende wird die gut aussehende Sensenfrau schlicht übertölpelt. Die alte Fabel vom schachspielenden Tod wird auf das amerikanische Gin Rummy übertragen. Aber alle flapsigen Dialoge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Nat Ackermann keine Antworten bekommt auf seine Fragen nach dem Jenseits. Die Angst bleibt.
Müller-Elmau inszeniert das muntere Geplänkel mit erotischer Komponente auf einem französischen Bett. Da gibt es immer wieder witzigen verbalen Schlagabtausch und zum Schmunzeln anregende Wortwechsel. Christian Josts meist aufgeregte Musik wirkt etwas einförmig, etwas geschwätzig und hält die Spannung über die rund vierzig Minuten Spielzeit nicht ganz. Paul Brady als zum Sterben noch keineswegs bereiter Unternehmer und Linda Sommerhage in der Rolle des Todes entfalten einen angeregten Diskurs.

Ganz anders Viktor Ullmanns Kaiser von Atlantis. Hier fesselt die Musik von Beginn an bis zum Schlusschoral. Ullmann hat seine Oper in Theresienstadt komponiert, deren bereits geplante Uraufführung aber kam dort nicht zustande. Der Komponist und sein Librettist Peter Kien befassen sich mir dem unvorstellbaren Grauen des maschinellen Massenmordes, des Mordens um des Mordens willen, befohlen vom wahnsinnigen Kaiser Overall. Am Ende ist hier der Tod der Erlöser: „Bin der, der von der Pest befreit, und nicht die Pest.“
Einen an die Bilder aus Konzentrationslagern gemahnenden Kleiderberg breiten der Regisseur und sein Kostümbildner Werner Fritz auf der Bühne aus. Hier tummeln sich Menschen wie der Soldat und das Mädchen und Urgestalten wie der Tod und der groteske Harlekin. Müller-Elmau lässt alle Figuren völlig autonom agieren – untereinander scheinen kaum Beziehungen zu bestehen. Das mag als Bild für einen entmenschlichte, automatisierte Welt hingehen, lässt die Inszenierung aber insgesamt sehr statisch wirken und besonders die große Schlussszene zwischen Kaiser und Tod ohne wirkliche Anteilnahme vorüberziehen.
Henry Kiichli malt als Lautsprecher Schaubilder philosophischer Betrachtungen an die Wände - ein schon oft gesehener Regieeinfall. Ingela Onstad singt den Bubikopf mit feinem Sopran im Duett mit der frischen Stimme Daniel Ohlmanns (Soldat). Linda Sommerhages schöner, warmer Mezzosopran, ideal für den Tod in Josts Death Knocks, fehlt es hier für den Trommler ein wenig an metallischer Härte. Deshalb will es ihr nicht recht gelingen, das Grausame, Unerbittliche der Propagandamaschinerie auszudrücken.
Michael Pegher gibt den Harlekin mit oft flatternder Stimme. Er schafft es, die ganze Armseligkeit, das Groteske herauszuarbeiten. Paul Brady war offensichtlich etwas indisponiert – er konnte in seiner großen Arie nicht die ganzen Feinheiten, Gefühle wie Angst und Sehnsüchte herausarbeiten. Peter Felix Bauer als Tod überzeugte auf der ganzen Linie. Sein Monolog als helfender, heilender Tod war gewiss der Höhepunkt des Abends.
Karl Prokopetz leitete das kammermusikalisch besetzte Oldenburgische Staatsorchester. Ihm und seinen Musikern gelang es auf subtile Weise, die Farbigkeit der Partitur mit Anklängen an den Jazz, den Weillschem Songstil, aber auch an die Tiefe eines Gustav Mahler herauszuarbeiten. Ein kleines Manko: an einigen Stellen war das Orchester schlichtweg zu laut.
Das Premierenpublikum folgte dem sicher fordernden Operndoppelabend konzentriert und applaudierte stark, wenn auch nicht überschwänglich.

Thomas Hilgemeier

 













 
Fotos: Andreas J. Etter