Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DREI SCHWESTERN
(Peter Eötvös)
4. November 2007 (Premiere)

Oldenburgisches Staatstheater

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Tickets

(0441) 22 25 111

 

zurück       Leserbrief

Das Leben lebt nicht

Bohrende Langeweile tagein tagaus, ewiges Leiden an der eigenen Existenz - und quälende Fragen: Was habe ich falsch gemacht? Warum wird dieses Nicht-Leben ausgerechnet mir zuteil? Obendrein die Zerstörung des kleinsten Hoffnungsschimmers - Anton Tschechow hat das Zerbrechen am eigenen Leben, an der banalen Alltäglichkeit in seinem Drama „Drei Schwestern“ intensivst geschildert. Die Titelheldinnen Irina, Mascha und Olga – eben die „drei Schwestern“ – hoffen, aus ihrem frustrierenden Alltag in irgendeiner russischen Kleinstadt zu entkommen. Durch eine reiche Heirat, einen schicken Geliebten - oder durch einen ordentlichen Beruf. Moskau heißt für sie das versprochene Paradies. Sie erreichen es genauso wenig wie ihr Bruder Andrej.

Peter Eötvös komponierte nach diesem Drama seine erste abendfüllende Oper, mit der ihm als einem der wenigen zeitgenössischen Komponisten der Sprung ins Theaterrepertoire gelang. 1998 in Lyon uraufgeführt, folgte bald die deutsche Erstaufführung in Düsseldorf (Anno 1999), daran anschließend gab es etliche Neuinszenierungen. Keine Frage: das Stück lohnt, wie auch Andrea Schwalbachs aktuellste Lesart der „Drei Schwestern“ am Oldenburgischen Staatstheater eindringlich vor Augen führt.

Eötvös breitet in seiner Partitur einen bleiernen Mantel an Eintönigkeit aus, der sich wie eine Kugel am Bein auf die Figuren legt. Ausbrechen lässt der Komponist sie nur, wenn sie ihre eigene Sicht ihrer armseligen Existenz darlegen. Dann nämlich verdeutlicht sich der Grund des Leidens. Eötvös spürt den Ängsten geradezu unheimlich penibel nach.

Andrea Schwalbach hat diese Atmosphäre ganz in sich aufgesogen. Es bedarf kaum mehr als einer schrägen Ebene (Ausstattung: Anne Neuser) und eines Samowars. Der Schmetterlingskasten im Zentrum der Bühne ist als Symbol überdeutlich (wenn nicht überflüssig). Eine große Flügeltür öffnet den Weg zur (vermeintlich) großen Welt. Mit wenig Bühne wird viel gesagt und gezeigt!

Das Oldenburgische Staatsorchester ist zweigeteilt: vorn im Graben das kleinere Ensemble, das die Personen charakterisiert; unsichtbar hinter der Spielfläche das große Orchester, das Stimmungen evoziert und das Geschehen mit seinen Klängen umspült. Die Dirigenten Alexander Rumpf und Oliver Storbeck leisten perfekte Arbeit, ohne Fehl und Tadel präsentiert sich das präzise agierende Solistenensemble.

Die Titelfiguren sind eigentlich mit Countertenören zu besetzen, wovon jedoch schon Düsseldorf 1999 abwich und – wie jetzt in Oldenburg – Frauenstimmen einsetzte: Irina Wischnizkaja, Nathalie Senf und Ulrike Ludewig sind im Zusammenspiel und solistisch perfekt. Die eindringlichsten Charakterzeichnungen gelingen Andrey Valiguras als Soljony, Thomas Burger in der furchtbar anstrengenden weil mitunter extrem hoch liegenden Partie des Militärarztes - und vor allem James Bobby als verzweifelt-versagendem Andrej mit einem großen Monolog.

Das Oldenburger Publikum war zur Pause skeptisch, verließ das Theater aber nicht. Hoch konzentriert folgte es den beiden noch ausstehenden Szenen. Und am Ende zeigte es sich schwer beeindruckt, ja begeistert - ein packender Theaterabend. (cws)


Fotos: © Andreas J. Etter