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Fakten zur Aufführung 

LADY MACBETH VON MZENSK
(Dmitri Schostakowitsch)
3. Juli 2009 (Derniere)
(Premiere: 13. März 2009)

Oldenburgisches Staatstheater


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Die böse Umwelt

Die Lady ist in K. D. Schmidts differenzierender Oldenburger Inszenierung nicht die mythische Mörderin aus eigenem Wollen, sie ist vielmehr Objekt der Begierde von patriarchalischem Schwiegervater, versagendem Ehemann, geilem Popen, der voyeuristischen Volksmenge, ihres geliebten Sergej und sogar der rivalisierenden Sonjetka; sie setzt dagegen ihre unstillbare Sehnsucht nach Erfüllung und „Emanzipation“ - gerät dabei in die nicht steuerbare Dynamik von Leidenschaft, Schuld und selbstrichtender „Sühne“. Schmidt setzt diese Idee um in außerordentlich artifizielles Bühnenhandeln, verzichtet auf knallige Effekte, vermeidet jegliche konkrete Umsetzung der so eruptiven Musik-Elemente in brutalen Realismus. Doch bleibt der Eindruck des lähmenden Kontrasts zwischen überbordender musikalischer Emotion und szenischer Dezenz.

Dieser faszinierende Kontrast zwischen elementarer Brutalität, erotischer Leidenschaft, verhaltener Reflexion und verzweifelter Ausweglosigkeit gelingt dem Oldenburgischen Staatsorchester unter dem hoch konzentriert dirigierenden Alexander Rumpf par excellence: Der permanent geforderte Wechsel von bravourösen Instrumenten-Soli und komplexem Orchesterklang, von geradezu magischen Piani zu charismatischen Crescendi, von individuellen Gefühlswelten zu kollektivem Aufbegehren, von beschwörenden Streicher-Tutti über geheimnisvolle Passagen der Holzbläser bis zu brutalen Ausbrüchen des Blechs und des Schlagzeugs werden zu einer Demonstration des Gehalts der genialen Schostakowitsch-Musik! Einmalig perfekt – und von nachhaltiger kommunikativer Wirkung!

Die Bühne Jörg Kiefels verlegt das Orchester in den Hintergrund der Szene, schafft den „Lebensraum“ der Lady als offenes Konstrukt, bereitet mit liegenden Elementen auf dem überdeckten Orchestergraben eine akzentuierungsfähige Spielfläche, nutzt die Bühnentechnik mit Versenkungen zur Platzierung des Chors – konstruiert eine Atmosphäre extremer Künstlichkeit und Distanz.

Die vorzüglichen Sänger-Darsteller des Oldenburger Ensembles kommen mit Musik, Inszenierungskonzept und Raum-Konstellation hervorragend klar: Magdalena Schäfer spielt die gelangweilt-sehnsuchtsvoll leidenschaftlich-ausbrechende Katerina mit beeindruckender Intensität, vermittelt mit ihrer variabel-ausdrucksstarken Stimme Gefühle von elementarer Dissonanz, hat nur Probleme mit den geforderten exaltierten Spitzen. Friedemann Kunder ist der sich beherrscht gebende Boris, zeichnet sich aus durch aussagestarke Zwischentöne mit ambivalent wirkendem Timbre und verhaltenen Ausbrüchen. Mit Alexej Kosarev agiert ein typengerechter Frauenheld Sergej, überzeugt mit durchsetzungsfähigem prachtvollem Tenor und vermittelt unwiderstehliche stimmliche Brillanz. Charles Reid überzeugt mit stimmlicher Kompetenz als Sinowi, verleiht dieser abhängigen Figur hoch individuellen Charakter und präsentiert einen außerordentlich flexiblen Tenor. Die charakteristisch atmosphärebildenden Rollen des Popen, der vergewaltigten Axinja, des Polizeichefs, des Schäbigen und der Sonjetka werden von Andrey Valiguras, Friederike Hansmeyer, James Bobby, Thomas Burger und Nathalie Senf mit viel Einfühlungsvermögen präsentiert und in bewundernswerter stimmlicher Kompetenz realisiert. Nebenrollen, Chor und Extrachor (Thomas Bönisch) sind konstituierende Faktoren einer musikalisch-sängerischen außergewöhnlichen Produktion!

Das Oldenburger Publikum feiert „sein“ Ensemble nach gespanntem Mitgehen mit enthusiastischem Applaus: Alexander Rumpf verlässt nach acht Jahren das Haus, Nathalia Senf und James Bobby wechseln an andere Häuser: Bei der Dernière wird deutlich, wie intensiv der Zusammenhang von Publikum und Akteuren in Oldenburg mittlerweile geworden ist.

Da wird auch wohl die Diskussion um das Procedere der Vertragsverlängerung des Intendanten und die Frage nach den vielen externen Regisseuren wenig ändern! (frs)