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Fakten zur Aufführung 

WOYZECK
(Tom Waits/Kathleen Brennan)
19. September 2008 (Premiere)

Theater Oberhausen


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Abgründe – brutal

1837 hinterließ Georg Büchner ein dramatisches revolutionäres Fragment; Alban Bergs Wozzeck von 1925 ist das Epoche machende Opern-Werk der Neuen Wiener Schule; Tom Waits kreierte 2000 in Kopenhagen eine zeitgeistgemäße Fassung in Kopenhagen -- diese „Balladen von der Finsternis der Welt“ kommen nun – sensationell! – in revidierter Fassung nach langer Erwartungsphase im Theater Oberhausen spektakulär heraus.

Joan Anton Rechi – ein Bieito-Mitarbeiter – führt Regie, akzentuiert die Brutalität gesellschaftlich-menschlicher Abgründe, zeigt Woyzeck als unbeholfen philosophierenden Underdog, gnadenlos ausgebeutet durch sinistre Existenzen der upperclass, unfähig zur Liebe – tötet sein Kind durch hemmungsloses Schütteln, bringt seine einzige Hoffnung, Marie, im Furor der Gefühle um, endet total vereinsamt im Elend seiner Chancenlosigkeit.

Martin Flores stellt einen Rotlicht-Kubus auf die dramatisch genutzte Drehbühne; heraus stürzen Hauptmann, Major, Doktor, Tambourmajor wie lebendig gewordene Schreckgestalten finsterster Alpträume, werfen sich mit ihren Obsessionen auf den hilflosen Woyzeck – die übrige Bühne ist leer und schutzlos.

Tom Waits und seine Frau Kathleen Brennan entwickeln dazu eine hochemotionale Musik im avancierten Musical-Stil, setzen auf die Wirkung von lyrischen und dramatischen Klängen, präsentieren Lullabies, Boat Songs und hinreißende Balladen.

In Oberhausen brilliert Otto Beatus mit der Theaterband – scharfe Eruptionen, intensive Piani, überzeugendes Zusammenspiel, großartige Abstimmung mit den Schauspieler-Sängern!

Jürgen Sarkiss gibt einen Opfer-Woyzeck mit total emotionaler Attitüde, vermittelt die Waits/Brennan-Musik mit hinreißender Performance. Nora Buzalka ist eine unbegriffen-verzweifelte Marie auf der Suche nach ein bisschen Glück, wird mit den dramatischen Song-Vorgaben selbstbewusst-perfekt fertig. Anja Schweitzer verkörpert den quasi-kommentierenden Narr mit souveräner Kompetenz; Henry Meyer ist ein exorbitant widerlich kotzender Doktor mit beeindruckender Präsenz; Peter Waros als machohaft karikierender Tambourmajor, Michael Witte als überheblich-diskriminierender Hauptmann, Klaus Zwick als hilfloser Andres und Susanne Burkhard als laszive Margreth sorgen mit bewundernswertem körperlichen Einsatz und markanten Stimmen für die nachhaltige Wirkung des emotional erschütternden Dramas.

Im Theater Oberhausen versammelt sich ein Publikum, das in seiner aufmerksam-engagierten Teilnahme und seiner anschließenden Diskussionsfreude geradezu ein „Modell“ ist für die mittlerweile sooft bestaunte Theater-Magie im Ruhrgebiet. Mit der neuen Intendanz von Peter Carp scheint das Theater Oberhausen auf einem hoffnungsvollen Weg in das Kulturhauptstadt-Jahr Ruhr 2010. Glückauf ! (frs)
 


Fotos: Tanja Dorendorf