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Fakten zur Aufführung 

PFERD FRISST HUT
(Otto Beatus/Ingo Günther)
21. Oktober 2009
(Uraufführung: 18. September 2009)

Theater Oberhausen


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Tohuwabohu

Otto Beatus und Ingo Günther „erfinden“ eine anspielungsreiche Musik, Sabrina Zwach schafft locker-frivole Songtexte: Aus der eher zickigen Labiche-Komödie Ein Florentinerhut wird das Tohubawohu einer aus den Fugen geratenen „formierten“ Standes-Gesellschaft!

Die Eating Horse Brass Brand in exklusiver Zusammensetzung mit u. a. Synthesizer, Tuba, Kontrabass, Bassklarinette, Flügelhorn neben Klavier, Saxofon, Posaune erzeugt Klänge von geradezu erschütternder Direktheit, nimmt keinerlei Rücksichten auf mögliche Erwartungen des Publikums – schon gar nicht auf den Duktus des französischen fin de siècle-Humors - auch nicht auf die betuliche Liebeneiner-Verfilmung der 30er Jahre. Kakophonien sind zu hören, aber auch lockere Anspielungen auf Musiken des 19. und 20. Jahrhunderts, auf Tanzmusik und verquere Zwölfton-Klänge. Ein perfekt-skurriler musikalischer Spaß!

Herbert Fritsch benutzt die leere Bühne für exaltiertes Spiel – begrenzt die Fläche mit den Musikern rechts und links am Proszenium und einer farbigen Rückwand mit überdimensionierten Strichcodes. Und scheucht die Schauspieler mit gnadenloser „Ungemütlichkeit“ von einer Explosion in die andere, da gibt es keinen Stillstand, da gibt es kein reflektierendes Verharren, da ist permanentes Tempo mit frappierend-expressiver Körperlichkeit angesagt.

Und das wie elektrisiert aufspielende Oberhausener Ensemble entwickelt in unaufhaltsamem Tempo das hektische Bild eines Panoptikums rasender Figuren – Henry Meyer als Besitzer des Hüte fressenden Pferdes, Hochzeiter und gesellschaftliche Konventionen zertrümmernder Fadinard an der Spitze einer wild bewegten Konglomeration von wirren Gestalten: eifersüchtige Ehefrauen, bekloppte Bediente, irre Baroninnen, bescheuerte Bürgermeister, verklemmte Cousins, hysterische Geliebte, taube Onkel, überdrehte Schwiegerväter - Nora Buzalka, Angela Falkenhan, Karin Kettling und Anna Polke, Annika Meier, Anja Schweitzer, Torsten Bauer, Mohammed-Ali Behboudi, Caspar Kaeser, Martin Müller-Reisinger, Jürgen Sarkiss, Hartmut Stanke, Peter Waros und Klaus Zwick sind in quirligem Zusammenspiel ständig auf Hochtouren. Das Ensemble beeindruckt durch geradezu stupende Körperlichkeit, überspielt auch geschmacklose Obszönitäten, vermittelt durchaus identifizierbare „Charaktere“ – und singt bravourös im Ensemble und in Solo-Auftritten: knallig-karikierend, ironisch-distanziert.

Ein Manko – nicht nur der Elektro-Akustik und dem geforderten „Schnell-Sprech“ geschuldet: es hapert an der Wortverständlichkeit!

Dem aufgekratzten Publikum im Oberhausener Theater stößt das allerdings nicht kommentierungswert auf : da herrscht Spaß ohne Ende – und der Versuch, die komplexe Geschichte detailliert nachzuvollziehen, weicht sehr schnell dem Vergnügen am „verrückten“ Theater. Daß der niedere ungarische Adel der Sarkosis als derzeitige französische „Herrscherfamilie“ hätte integriert werden können – das ist wohl nur eine satirische Idee.

Franz R. Stuke

 




Fotos: Klaus Fröhlich