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Fakten zur Aufführung 

DIE MUTTER
(Bertolt Brecht/Hanns Eisler)
26. November 2008
(Premiere: 7. November 2008)

Theater Oberhausen


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Agitationstheater – now!

Maxim Gorkis „Mutter“ thematisiert die Streiks um 1902; Bertolt Brecht dramatisiert das Vorfeld der Oktober-Revolution – das Theater Oberhausen fokussiert die Kämpfe und Leiden in unsere Zeit der neoliberal-brutalen Globalisierung.

Und siehe da: der verzweifelte Kampf der „Mutter“ um ihren Sohn, ihre eigene Existenz, ihr Aufbegehren gegen die unmenschlichen Mächte des Kapitalismus wirkt heute aufrüttelnd, provoziert emotionale Identifikation, trifft auf verschüttete Emotionen des Widerstands gegen systembedingte existentielle Ungerechtigkeit.

Hanns Eislers hämmernd-widerborstige Musik wird von einer aggressiv-kommentierenden Band unter dem souverän agierenden Otto Beatus im Stil revolutionärer Klänge vermittelt; ein Chor der werktätigen und studierenden Frauen von Oberhausen akzentuiert die Empfindungen der leidenden Opfer des brachialen Kapitalismus.

Andrea Moses – hochgerühmt ob ihrer Salome und Elektra in Meiningen - inszeniert einen explosiven Konflikt zwischen ganz persönlichen Existenz-Ängsten und überwältigenden Macht-Konstellationen, verweist auf eskalierende hilflose Gewalt - und nutzt die (verfremdeten) Mittel des Agitationstheaters zu einem spannungsgeladenen Furor exaltiert-politischen Bühnenhandelns: Widerstand ist angesagt – so die unmissverständliche Botschaft, vermittelt mit allen Möglichkeiten darstellerischer Potenz!

Astrid Meyerfeldt ist die „Mutter“ – eine grandiose schauspielerische Umsetzung elementarer menschlicher Nöte, Herausforderungen und kämpfenden Kraft, leidend, aber auch rücksichtslos gegenüber allen eigenen Empfindungen! Im Ausdruck beherrscht die großartige Darstellerin eine schier unvorstellbare Spannweite sprachlicher Möglichkeiten – kann aber auch zur Eisler-Musik sprech-sängerischen Ausdruck finden, der unter die Haut geht! Das Oberhausener Ensemble mit den hoch engagiert agierenden, eruptiv ausbrechenden, leidenschaftlich kämpfenden und agitierenden Arbeitern, Lehrer, Polizist fasziniert durch totales Einlassen auf die revolutionäre Grundstimmung: Torsten Bauer, Martin Hohner, Henry Meyer, Martin Müller-Reisinger, Patrick Rupar, Jürgen Sarkiss und Michael Witte agieren und artikulieren im Stile revolutionären Agitations-Theaters!

Christian Wiehle nutzt die technischen Möglichkeiten der Oberhausener Bühne, stellt ein Förderband mit pausenlos herabgeworfenen Kleidungsstücken in den Hintergrund, imaginiert mit Hebebühnen, herabfallenden Gittern und leerer Bühne den Wechsel geschlossener Räume und offener Gewalt.

Im Oberhausener Theater ist ein zustimmendes Publikum vom Thema offensichtlich berührt, wehrt sich gegen die Agitations-Attitüde, ist aber total beeindruckt vom leidenschaftlichen Spiel!

Doch eins ist klar: Oberhausens Theater fasziniert - und setzt Maßstäbe für ein neues musikalisch-dramatisches Theater mit radikal-gesellschaftspolitischem Anspruch. (frs)
 




Fotos: Andrea Engelke