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Fakten zur Aufführung 

DIE OBERHAUSENER JOHANNES-PASSION
(Johann Sebastian Bach/
Lothar Trolle)
18. Dezember 2009
(Uraufführung: 20. November 2009)

Theater Oberhausen


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Passion in Oberhausen Hbf.

Die Passion Christi im Hier und Heute; Bachs Musik reduziert auf nachhaltig aktionsbestimmende Orchester- und Chorpassagen sowie besonders intensive Solo-Partien. Das allein wäre schon aller Mühen wert – komprimiert die biblische Leidensgeschichte doch menschliche Lebens-Qual in archetypischen Situationen. Und: Zu allen Zeiten haben sich die Künste um zeitgenössische Deutungen bemüht, von Giotto über Breughel und die Passionsspiele bis zu Martinus Greek Passion!

Nun also Oberhausen: In der nachgebauten Bahnhofs-Unterführung treffen sie aufeinander – der lädierte „Jesus“, der besorgte Johannes, die Frauen, und die teilnahmslosen, aggressiven, mit-leidenden Menschen. Lothar Trolle erfindet zu den Szenen eine spezifisch kommentierende Musik, ausgehend von Bachs Konstruktionen, einfühlsam ergänzend – in eindrucksstark respektvollem Duktus, sehr intensiv vermittelt durch die Oberhausener Bühnenmusik mit sechs Instrumenten (Holz plus Cello!) unter Leitung vom sensibel klavier-begleitenden Otto Beatus. Dazu ein ungemein ausdrucksstark „modern“ klingender Sopran von Mascha Bohn als nahezu beschwörende Stimme des Engels.

Joan Anton Rechi gelingt in der einfühlsamen Kombination von situativem Agieren der Einzelpersonen und choreografisch aufregenden Massenszenen die Vermittlung des Dilemmas von individuellen Schmerzen in der alltäglich-indifferenten Umwelt – in der aber wiederum Individuen auszumachen sind, die ihr ganz persönliches Schicksal zu bewältigen versuchen!

Alfons Flores baut nicht nur die architektonisch signifikante Stahl-Konstruktion für die Bühne, ergänzt eine Reihe situationsbezogener Details, die wiederum das intensive Bühnenhandeln kommunikativ ermöglichen.

Das Oberhausener Ensemble beweist seine frappierende Kompetenz in Sachen „Musiktheater“ im Schauspielhaus: Da wird leidenschaftlich gespielt, da wird auch ganz uneitel Text gesprochen – da wird aber auch der Übergang zu ausdrucksvollem Singen mit beglückendem Gelingen riskiert.

Jürgen Sarkiss gibt dem im Bahnhof gestrandeten „Jesus“ gefühlvolle (Leidens-)Statur, artikuliert emotional ergreifend, vermittelt die Ausweglosigkeit des hilflosen Erlösers. Susanne Burkhard ist eine verzweifelte Maria, Nora Buzalka eine suchende Maria Magdalena, Martin Hohner ein überforderter Johannes, Michael Witte ein gepeinigter Judas, Hartmut Stanke ein ratlos-aufgebender Pilatus - alle wunderbare Darsteller mit höchster Konzentration agierend und in den wechselnden Anforderungen überzeugend intonierend.

Im Oberhausener Schauspielhaus versammelt sich ein bemerkenswert konzentriertes Publikum: natürlich dauert es einige Zeit, bis die Motive der Personen, der Zusammenhang mit der Bach-Passion, die Bezüge hergestellt sind – aber die Spannung steigt, das Verstehen wächst, und die Zustimmung ist groß. Theater hat sein höchstes Ziel erreicht: Menschen zum lustvollen Nachdenken zu bewegen!

Franz R. Stuke

 





 
Foto: Rainer Schlautmann