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Beliebiger Kriegszustand
Calixto Beito hat letztes Jahr in Hannover einen Skandal produziert, als
er in seiner Trovatore-Inszenierung konsequent das Gewalttätige des Textbuchs
nach außen kehrte und vergewaltigen, schlagen, quälen ließ. Auf einer
dunklen Bühne der Desillusion mit einem maroden Kinderkarussell versuchte
Inga Levant in Nürnberg ähnliches (Bühne und Licht: Giuseppe di Iorio).
Levant zeigt die Zigeuner als Punks und damit als moderne Außenseiter
(Kostüme: Magali Gerberon). Doch diese Punks treten belustigt auf harmlose
Menschen ein, die sich später als Urgels Leute herausstellen, mit denen
Manrico verbündet ist! Freilich haben Punks ihre Fehler, doch schlagen
sie keine Menschen tot. Den Troubadour und seinen unerkannten Bruder Lula
macht Levant dafür zu prügelnden Skinheads. Was das für Manrico und die
Beziehung zur Zigeuner-/Punkmutter Azucena bedeuten würde, zeigt Levant
nicht.
Natürlich kann so ein Ekeltyp wie Manrico keinen Musiker abgeben. Dadurch
rutschen Verdis Melodien aber ins grotesk Lächerliche ab. Das Verhältnis
zwischen Lula und Manrico wird als alte Feindschaft konstruiert, die kindlichen
Alter Egos hopsen kämpfend durch die Szene. Wären aber Manrico und Lula
nicht als Kleinkinder getrennt worden, wüsste Manrico um seine wahre Identität
und würde sich endlich anders verhalten. Eine ohnehin verwirrende Handlung
durch beliebige intellektuelle Verachtung für Ideologien und bestimmte
Menschengruppen als bloßen Kriegszustand weiter zu verwirren, ist keine
Regieleistung.
Den immensen sängerischen Anforderungen wurde vollgültig nur Andrea Baker
als Azucena gerecht. Die Mezzosopranistin bringt mit schnellem Vibrato
und mal diabolisch schriller und mal dunkler Stimme den Furor der Zigeunerin
auf die Bühne. Dagegen war der Lula von Sang Lee zwar ebenso stimmsicher,
doch dynamisch eindimensional laut. Mit Lautstärke versuchte sich auch
Jón Rúnar Arason durch die mörderische Partie des Manrico zu stemmen.
Stets am Rande seiner Kräfte, verschliff er zahllose Töne und schluchzte
viele verbleibende larmoyant an. Die hohen Cs waren da, doch bangt mir
um Arasons Stimme. Carole Fitz Patrick hingegen disponierte geschickt
und bot Ausdruck. Dass die Stimme zwischen mezzoforte und fortissimo meist
ein wenig kühl wirkt, gleicht ein bisweilen zauberhaftes piano aus.
GMD Philippe Auguin ließ den "Ring" des vergangenen Jahres nachhallen,
malte Verdi mit satt glühenden Farben und ausschwingenden Linien bei sehr
sauberer technischer Ausführung durch das Orchester. Irritierend waren
die Kunstpausen, die Auguin zur Spannungssteigerung einsetzte.
Das Publikum reagiert auf Auguin traditionell mit Begeisterung, doch feierte
es auch die problematischen Sängerleistungen. Als Ausgleich zur ausgebuhten
Regie war das mehr als verständlich. (tv) |
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