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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
17. Oktober 2009 (Premiere)

Staatstheater Nürnberg


Points of Honor                      

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Gesang

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Der Hin und Her Geworfene

Tannhäuser im Venusberg – lustlos; Tannhäuser auf der Wartburg – renitent; Tannhäuser und Elisabeth – genervt; Tannhäuser als Pilger – empört: Diesem hin und her geworfenen „Sponti“ bleibt am Ende das Beharren auf seiner Kunst – allerdings nie präsentiert, aber permanent behauptet. In Nürnberg ist die Charakterstudie eines „verkannten Genies“ zu erleben – lebensnah, mit nachdenkenswerter Aussage! Rosamund Gilmore setzt diese ambivalent-orientierungslose Figur eindrücklich in Szene, entdeckt neue (Handlungs-)Facetten im nur scheinbar ausgeloteten Werk. Sie inszeniert z. B. den Sänger-Wettstreit als intensive Konfrontation aller sechs Sänger, legt Wert auf Details in Gestik und Mimik (so in Elisabeths durchaus ambivalenten Reaktionen), verzichtet im Bacchanal auf alle Voyeurismen, stellt eine intensive Identität von Musik und Bühnenhandeln her!

Christof Prick dirigiert mit großem Einsatz, erarbeitet mit den engagiert-präzis aufspielenden Nürnberger Philharmonikern einen bemerkenswerten Wagner-Klang abseits aller Klischees: ohne überflüssiges Pathos, dafür mit faszinierender Dynamik. Grelle Töne gehen über in schmeichelnde Melodien, geradezu ohrenbetäubende Passagen wechseln mit geheimnisvollen Klängen aus der Stille – korrespondierend mit den mächtigen Klangwogen des Chors (Leitung: Edgar Hykel) und dem emotionalen Singen der in die Konstellationen verstrickten Personen.

Richard Decker verleiht dem Tannhäuser außerordentliche Leidenschaft – mit radikalen Momenten, mit Phasen der Reflexion, mit unbegriffener Verzweiflung und leerer Hoffnung. Er gibt der so getriebenen Figur Charakter, beeindruckt mit überzeugender stimmlicher Variabilität – bestimmt durch klangschöne Leidenschaftlichkeit. Mardi Byers ist eine zweifelnde Elisabeth – liebend, enttäuscht, vergebend, sich opfernd; ihr agiler Sopran vermittelt diese elementaren Gefühle mit nachhaltigem Ausdruck. Guido Jentjens singt den patriarchalen Landgrafen mit beherrschter Kraft und beeindruckender stimmlicher Souveränität. Jochen Kupfer präsentiert einen gradlinigen Wolfram, ohne ins Sentimentale zu verfallen, begnadet mit einem ausdrucksstark-kernigem Bariton! Martin Nyvall als konsequenter Walther, Rainer Zaun als kämpferischer Biterolf, Christopher Lincoln als aufmüpfiger Heinrich, Vladislav Solodyagin als schwärmerischer Reinmar – sie werden zu eigenständigen Charakteren und beeindrucken mit großer Gesangs-Kunst. Leah Gordons Hirt vermittelt mit frischer Stimme Hoffnung und warnende Erinnerung! Mit Alexandra Petersamer ist eine Venus zu erleben, die mit dunkel-schmeichelndem Mezzo erotisierende Nuancen vermittelt – ohne knallige Eruptionen, ohne angestrengte Höhen, dafür mit einer variantenreichen Stimme voller emotionaler Kraft.

Das differenzierte Spiel ereignet sich auf einer eher abstrakten Bühne mit einem zunächst geschlossenen, dann dramatisch zerstörten Flügel als optischen Bezugspunkt (und einer permanent anwesenden Petrarca-Büste als Verweis auf das Leiden an der Kunst) – Carl Friedrich Oberle schafft Handlungsräume, setzt auf „sprechende“ Farbigkeit!

Das Nürnberger Publikum – zum einen die anspruchsvollen Wagner-Traditionalisten, zum anderen die erwartungsvollen „Neuerer“ – ist gefesselt von Szene, Musik und Gesang; es ergibt sich eine selten zu erlebende Atmosphäre intensiven Mit-Erlebens – und viel Diskussion in den Pausen und nach Schluss: Ein Publikum, das die These vom wesentlichen Teil einer Theateraufführung eindrucksvoll bestätigt!

Franz R. Stuke

 










 
Fotos: Karen Stuke