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Fakten zur Aufführung 

DOM SEBASTIEN
(Gaetano Donizetti)
21. Mai 2009
(Premiere 2. Mai 2009)

Staatstheater Nürnberg


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Brutale Macht

Der junge portugiesische König Dom Sébastien ruft im 16. Jahrhundert zum Kreuzzug nach Marokko auf, scheitert – und wird zum Mythos: ob seiner Jugend, seiner Beziehung zum Dichter Camoens und nicht zuletzt ob seiner intriganten Beseitigung durch die spanische (!) Inquisition. Eugène Scribe greift diese historisch-dramatische Episode auf, verweist auf real existierende Protagonisten (noch heute ist Portugals höchster Literaturpreis nach Camoens benannt!) und fügt eine bitter-süße Liebesgeschichte mit der Muslimin Zayda ein. In Donizettis letzter Oper wird diese obskure Geschichte zu einem Furioso emotionalisierender Musik und extrem-fordernden Belcanto-Gesangs.

In Nürnberg erlebt dieses vergessene Opus Magnum eine bemerkenswerte Auferstehung. David Hermann inszeniert einen hoffnungslosen Kampf unbegriffener Leidenschaft und kraftloser literarischer Kunst gegen die brutale Macht, akzentuiert aber nicht nur individuelle Gefühle und kulturelle Differenzen, sondern schafft einen Überbau intriganten großen Haupt- und Staats-Theaters: portugiesischer König und spanischer Inquisitor kämpfen nur scheinbar gegen die marokkanischen Institutionen – sind vielmehr Werkzeug der imperialen spanischen Unterdrückung. Das gelingt sowohl im beklemmenden Aufzeigen intriganter Herrschaftsstrukturen als auch in individuell-detailgenauem Bühnenhandeln – mit formidablen Räumen für die Protagonisten!

Christof Hetzer baut dazu einen düster-klaustrophoben Bühnen-Kubus – bedrängende Wände, die sich nur selten zu pseudo-orientalischem Ambiente öffnen, permanent Bedrohung signalisieren und bedrängende Ausweglosigkeit vermitteln.

Veronica Simeoni ist eine liebend-zerrissene Zayda, betört geradezu mit einem emotional bewegenden Timbre, brilliert mit einem facettenreichen Belcanto-Sopran und beherrscht die Koloraturen und Verzierungen mit souveräner Interpretationssicherheit. Christopher Lincoln gelingt der so ambivalent-emotionale Dom Sébastien mit eindringlicher agiler Stimme, vermag die differenzierten emotionalen Situationen mit unangestrengter Belcanto-Kultur umzusetzen. Melih Tepretmez interpretiert mit seinem wandlungsfähigen Bariton einen verletzlichen Künstler Carmoens, gibt ihm differenzierten Ausdruck. Nicolai Karnolsky ist der herrische portugiesische Groß-Inquisitor – und mit dem voluminösen David Yim, dem ausdrucksstarken Dariusz Siedlik und dem emotional phrasierenden Bastiaan Everink als Regent Antonio, dem Fez-Regenten Ben-Selim und dem Zayda-Verlobten Abayaldos sind verlässliche Belcanto-Stimmen zu hören, souverän in der Stimm-Gestaltung, brillant in der Umsetzung der nicht einfachen Donizetti-Vorgaben. Dazu beweisen die Mitglieder des Internationalen Opernstudios Nürnberg ihre hoch präsentable Kompetenz in Sachen Belcanto-Gesang!

Die Nürnberger Philharmoniker spielen in transparenter Musikalität die so vielschichtige Donizetti-Partitur unter der engagierten Leitung von Christoph Gedschold mit konzentrierter Leidenschaft, vermitteln im luziden Zusammenspiel Dramatik und Lyrik den Genius des späten Donizetti – sind darüber hinaus ungemein sensible Begleiter, Verstärker und kontrastierende Elemente des bravourösen Gesangs.

Das Nürnberger Publikum stellt sich offenkundig auf die „neuen Töne“ ein – vor allem die jüngere Fraktion fühlt sich außerordentlich animiert und füllt das große Haus durchaus in der Erwartung „unkonventioneller“ Angebote (dass die Nürnberger Traditionalisten auf „ihrem Wagner“ bestehen, ist nicht verwunderlich – aber auch das ist keine unüberwindliche Bastion!). (frs)
 






 Fotos: © Ludwig Olah