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Masken
„Aufbruch“ ist mit Peter Theiler, dem neuen Staatsintendanten, in Nürnberg angesagt – und Andrea Raabes demaskierender Rigoletto mit der assoziations-stimulierenden Bühne von Tobias Dinslage wird nach der Premiere von 2001 wieder aufgenommen. Und es ist das Wieder-Beleben einer geradezu zeitlos-innovativen Deutung der nur scheinbar ausdiskutierten Rolle des Narren Rigoletto. Andrea Raabe entwickelt „Typen“ in ihren unbegriffen-zwanghaften „Masken“, konterkariert die gängigen Klischees des ambivalenten Narren, öffnet neue Blicke auf scheiternde Individuen in totalitären gesellschaftlichen Konstellationen. Und Tobias Dinslage präsentiert eine Bühne, aufgeteilt in Segmente, die wie Film-Schnitte funktionieren, Individuen und dramatisches Handeln zugleich trennen und zusammenführen – eine Bühnenästhetik voller assoziativer Reize, nur im Bruch vom symbolisch Angedeuteten zur realen Irritation ins platte Konkretisieren abgleitend.
Philipp Pointner treibt die Nürnberger Philharmoniker zu engagiertem Musizieren, variabel sowohl in Tempi als auch der ästhimierenden Dynamik, „sängerfreundlich“, aber nicht um den Preis reduzierten Orchesterklangs und Vernachlässigung subtiler Instrumenten-Soli.
Mikolaj Zalasinski spielt mit differenzierender Leidenschaft einen hin- und hergetriebenen Rigoletto, vermag diesem diffusen Charakter mit seinem hoch wandlungsfähigen Bariton changierenden Ausdruck zu verleihen, beeindruckt durch frappierende Bühnenpräsenz. Naive Mädchenliebe, zerstörtes Vertrauen in Vater und Geliebten, Entsetzen über erlittene sexuelle Gewalt, letzte Hoffnung auf ein Glück jenseits dieser Welt – das alles bestimmt das Gefühlsleben der benutzten Gilda, und Claudia Katharina Braun vermittelt dieses Chaos der Emotionen mit einem wunderbar gefühlvollen Sopran, gereift, sicher aufbauend aus einer geradezu betörenden Mittellage, voller Empfindsamkeit auch in den ausdrucksstarken Spitzen! David Yim ist ein ambivalent Sex suchender feudaler „Womanizer“, eher ein Giovanni als ein sexual maniac - stimmlich souverän, mit einem sehr eigenen fast erdigen Timbre, aber fähig zu balsamischer Klangschönheit und leidenschaftlichen Ausbrüchen. Guido Jentjens beeindruckt als geheimnisumwitterter Sparafucile mit permanent bedrohlicher Attitüde; Ezgi Kutlu gibt die eher frivole Maddalena mit kapriziösem Mezzo; Vladislav Solodyagin ist ein empörtes Opfer feudaler Macht, doch fehlt ihm die stimmliche Wucht des Monterone-Fluchs. Der Herrenchor der Nürnberger Oper (Leitung: Edgar Hykel) und die Comprimari tragen mit-entscheidend zum spektakulären musikalischen Erfolg des „Dauerbrenners“ bei.
Das Nürnberger Haus ist ausverkauft, die Stimmung im erwartungsvollen Publikum äußerst positiv – allerdings äußert sich die Anteilnahme in ständigen geflüsterten Kommentaren und damit verbundenem Zusammenstecken der Köpfe. Bei allem Verständnis für die Aufmerksamkeits-Beweise: allzu viel spontane Kommunikation stört! (frs) |
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