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Fakten zur Aufführung 

ORFEO ED EURIDICE
(Christoph Willibald Gluck)
23. Mai 2004 (Premiere)


Staatstheater Nürnberg




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Zerdehnt und gestreckt

Die Staatsoper Nürnberg ruft sich rechtzeitig, bevor es jemand anderes tut, zum Gluckzentrum aus. Im nächsten Jahr sollen internationale Gluckfestspiele diesem Anspruch Rechnung tragen. Mit der Premiere von ,Orfeo ed Euridice' in der italienischsprachigen Wiener Fassung von 1762 kann man bereits jetzt eine von vier Opern erleben, die dann auf dem Spielplan stehen werden. Doch Hand aufs Herz, ein europäisches Gluckzentrum sollte in der Aufführungspraxis und durch den exemplarischen Wert seiner Inszenierungen Standards setzen. Beides ist in Nürnberg nicht geschehen.

Die Regie von Olivier Tambosi arbeitet mit starken Bildern, beeindruckenden Lichtwirkungen und sehr statischen, oft quälend zerdehnten Gesten. In schwarzem Hosenanzug gibt Orfeo einen Musiker, dessen arg psychopathische Notenkritzelei den ansteigenden Raum zwischen dem dreifach gespiegelten Proszenium des Opernhauses mit viel Papier füllt, an dem sich der Chor in leinfarbener Alltagskleidung zur rechten Zeit bedient (Ausstattung: Frank Philipp Schlößmann).

Der Tod seiner Euridice hat Orfeo apathisch und absolut verzweifelt zurückgelassen. Ihr Hab und Gut in einem weißen Plastiksack an sich gedrückt, schmiert er sich mit Schminke eine weiße Totenmaske mit schwarzen Lippen ins Gesicht, die er bis zum Schluss aufbehält. Auch die Furien als fast unbewegliche Schatten Orfeos tragen diese Maske. Dabei weicht der Ausdruck von Edvard Munchs Gemälde ,Der Schrei' minutenlang nicht aus ihren Gesichtern. Die starke Bildersprache bleibt jedoch kalt. Die antinaturalistische Haltung der Inszenierung opfert auch das Ballett, wodurch lange leere Augenblicke ungefüllt bleiben. Die wichtige Szene des Wiedersehens der beiden Protagonisten bleibt extrem träges, berührungsloses Stehtheater.

Träge gibt sich auch die Musik. Philippe Auguin lässt bereits die Ouvertüre mit seinem kleinen Orchester eckig und massiv aufstampfen. Später strecken sich viele Arien zu langatmigen Gebilden, denen es an Sauberkeit der Begleitung, Akzentuierung und Spannkraft mangelt. Barockmusik von vorgestern.

Die Sängerin des Orfeo bleibt im Kontext von Regie und Dirigat leider blass. Frances Pappas verfügt über einen schönen, etwas kühlen Mezzosopran, der sich nie entäußert, aber Erschütterung durchaus nachvollziehbar macht. Erotik und Verführung von Orfeos Gesangskunst sind jedoch nicht genug abgebildet. Die kesse Siphiwe McKenzie und Sabina von Walther sind sich in ihrem hellen, glöckchenreinen Stimmklang ähnlich und adäquate Besetzungen Amors und Euridices. Der sehr gute Chor gibt sich wandlungsfähig, bärbeißig kläffend als Furien und ansonsten erstaunlich zurückhaltend.

Warum das Publikum nur die Inszenierung mit wenigen Buhs bedachte, die schwache musikalische Leitung Auguins aber bejubelte, kann nur aus dem Kultstatus erklärt werden, den der selten auftretende GMD mittlerweile genießt. (tv)


Karten unter 0180 13 44 276






Fotos: © Jutta Missbach