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Wo das Dosenbier fließt
Ob es wohl Voraussetzung für die Beteiligung an diesen Lustigen Weibern
von Windsor war, einmal in seinem Leben auf einem Campingplatz gewesen
zu sein? Michael Beyers unterhaltsame Inszenierung macht es uns glauben.
Beyer und sein Team, (Bühne: Hans Richter, Kostüme: Ursula Renzenbrink)
versuchen die Spießbürgerlichkeit der Gesellschaft auf Windsor-Camping
zu entlarven, einer grotesken Abbildung kleinbürgerlicher Urlaubswelten.
Seit an Seit stehen die großen Campingwägen von Fluths und Reichs, Geranien
am Zaun, Waldi wacht im Häuschen, der Grill raucht krebserregend, Hinz
und Kunz schlappen morgens ins schmutzige Waschhaus und gegen stechendes
Kleingetier, das nicht in Mückenfallen verendet, hilft nur noch Angriff.
Damit illustriert Beyer die Oper als heutige Realsatire und verdeutlicht
ihren zeitlosen Gehalt fern jeder zeigefingererhobenen Abscheu vor den
Spießern. Gerade seine weiblichen Figuren geraten zu Sympathieträgern.
Sie haben sich in ihrer banalen Umwelt mit Affären amüsiert eingerichtet,
so dass Falstaff weniger der Verführer als der Verführte ist. Geschickt
vermeidet Beyer in der finalen Sommernacht jede (dem Stück meist aufgepfropfte)
pseudogesellschaftskritische Gewaltorgie gegen den armen Sir John. Wo
Mücken den Schwerenöter malträtieren und auch die besoffenen Peiniger
nicht verschonen, regiert ein liebenswürdig- menschenfreundlicher Blick,
der sich harmonisch zum Stück fügt.
Frau Reich (Marina Proudenskaja) und Frau Fluth (Anne Lünenbürger) hätten
unterschiedlicher nicht sein können: manisch Proudenskaja mit intensiv
dunkler Alt-Färbung, sorglos Lünenburger, die nicht zu einer gleichmäßig
hörbaren Präsenz in der Mittel- und tiefen Lage fand. Im Kammersängerton
par excellence, warm und sonor bot Ks. Heinz-Klaus Ecker einen alternden
Spätmacho John Falstaff. Die Show wurde der Feriengesellschaft aber vom
hervorragend disponierten Nikolai Schukoff als Fenton gestohlen. Dessen
Arie: "Horch, die Lerche singt im Hain" stieg zum umjubelten Glanzpunkt
auf. Wer hat noch solche strahlend unangestrengten Tenöre?
Im Orchestergraben gelang Peter Selwyn vor allem im Kontrast der samtenen
Streicherpiani und der betont schwerfälligen Fallstaffpassagen ein lebendiger
Beitrag zum Bühnengeschehen.
Fast unverständlich, warum sich solch eine gewitzt-einfallsreiche Inszenierung
nicht der einhelligen Bravos sicher sein konnte, sondern flache Buhwellen
erdulden musste. Waren eingefleischte Camper anwesend? (tv) |
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