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Fakten zur Aufführung 

JENUFA
(Leos Janácek)
25. Oktober 2003 (Premiere)


Oper Nürnberg




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Ein Alptraum vom Menschsein

Utopien haben auf der Opernbühne keine Konjunktur. Weder die Völkerverständigung in Mozarts "Entführung", noch die Errichtung einer besseren Welt in Wagners "Götterdämmerung" trauen sich Regisseure ungebrochen zu zeigen. In Nürnberg entbindet Bruno Klimek auch Janáceks Jenufa des Ausblicks auf eine glückliche Zukunft mit ihrem Laca - im strahlenden C-Dur-Finale wird wie zum Hohn einander niemals zugewandt gesungen.

Das Pessimistische, an Janáceks Intentionen vorbeigehende Ende ist konsequent vorbereitet. Klimek löst "Jenufa" aus ihrem naturalistischen Zusammenhang und setzt sie in einen leeren Raum zwischen "Himmel und Hölle" (Bühne: Hermann Feuchter).

Die Bühne, deren mahagonifurnierte Wände und bewegliche Decke sich zu einem schließbaren Horizont verjüngen, wird von einer silbernen Wendeltreppe durchbohrt. Wie Janácek den Klang des Xylophons setzt Klimek die Drehung der Treppe eindrucksvoll ein, um Ausweglosigkeit darzustellen. Das abstrakte Umfeld vernebelt die Handlungsmotivation der Personen und erlaubt ihnen keine erkennbare Entwicklung. Es entsteht ein Theater der befremdlichen, wiederkehrenden Bilder: Es zeigt Jenufa, die versucht, sich mit einem Messer zu verstümmeln, das Kind aus dem Bauch zu schneiden und die Küsterin, die es ihr im 3. Akt gleich tut.

Stewa ist ein ewig farbloser Säufer und Laca ein Schwächling, der häufig vor Jenufas Füßen kriecht. Die Buryja im Rollstuhl ist eine immerzu debil im Viereck fahrende Belastung. Klimek zeigt ausschließlich erniedrigte, verrückte, verkommene Gestalten. Ein Irrenhaus, das erschüttert, doch nicht anrührt. Sollten wir glauben, dass Jenufas Geschichte heute unglaubwürdig geworden ist und deshalb zu einem Menschseinsalptraum verallgemeinert werden muss?

Die Regie machte sich stimmig in der musikalischen Interpretation hörbar. Grell, scharf, in den Chorszenen geradezu grotesk überzeichnet peitschte Fabrizio Ventura die Musik vorwärts und schrammte damit die Eindimensionalität.

Clarry Barthas Küsterin bediente sich vieler Facetten menschlichen Gesangs. Um die vielschichtige Figur darzustellen, scheute sie auch den groben Ton, die hauchige Mittellage und gleißende Höhen neben beglückend feinen Tonansätzen in ihrem großen Monolog im 2. Akt, nicht. Dagegen blieb die Jenufa Carole Fitzpatricks blass. Ihr Sopran, der trotz reichen Vibratos noch jung und eher schlank klingt, vermochte sich in tieferen Lagen auch trotz deutscher Sprache nicht gegen das zu laute Orchester durchzusetzen. Damit hatten Gerhard Siegel (Laca), der sich mit ein wenig Knödel und viel Kraft um die Erkältung sang, und der Tenor von Jón Rúnar Arason (Stewa) keine Probleme.

Das klatschfreudige Publikum kommentierte die Regie mit einiger Unruhe zwischen euphorischen Bravos und mutigen Buhs und warf viele Blumen zu Füßen der Kindsmörderin. (tv)




Fotos: © Marion Bührle