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Fakten zur Aufführung 

DUNKELROT
(Karola Obermüller)
8. Oktober 2007
(Premiere: 29. September 2007)

Doku-Zentrum Säulenhalle
Staatstheater Nürnberg


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Bedrohte Menschenrechte

Die brennende Aktualität des Themas mit ihren konkreten Akteuren gibt Stoff für ein Dokumentarspiel, stellt die hochkomplexe Form der Oper allerdings vor Probleme. Gabriele Strassmann hat in ihr Libretto um die abzuschiebende Mahjouba neben Dolmetscherin, Beamtem, Durchschnittsbürger, Polizisten die Figur der Dunkelrot (die Farbe des Blutes) eingeführt – der Mystiker Karl May hätte sie wohl als die „Menschenseele“ bezeichnet.

Karola Obermüllers respektvoll anteilnehmende Komposition verbindet Windmaschine, Elektronik, verstärkte Stimmen, virtuoses Percussion, klagende Flöten, kommentierende Streicher zu einem pointillistisch-melancholischen Klangbild.

Das Kammerensemble der Nürnberger Philharmoniker geht unter dem umsichtig leitenden Christian Reuter die schwierige Aufgabe mit großem Ernst an, intoniert variabel im Sinne der humanen Intentionen. Das alles kommt Henzes Diktum vom Politischen in der Musik sehr nahe.

Lien Haegeman verkörpert die afrikanische „Asyl-Bewerberin“ Mahjouba Mint Mamlouk mit ihrem Stolz, ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Wut und Aggressivität, ihrer Hilflosigkeit und ihrer existentiellen Not; mit staunenswerter Variabilität gelingt es ihr, diesem gequälten Charakter adäquate Stimme zu geben. Marlene Mild gibt der hilflos-hilfsbereiten Dolmetscherin nachdenkenswerte Zwischentöne, so wie Tim Stekkelies mit seinem schönen Bariton einem verunsichert-gesetzestreuen Beamten glaubwürdig Stimme verleiht. Beim Auftauchen von Herrn Mehr und Frau Heit (sic!) erklingt Musik im Stile des Volksfestes in Bergs Wozzeck: Richard Kindley und Teresa Erbe geben diesen Figuren der alltäglich-unbegriffenen Unbarmherzigkeit ambivalente Artikulation. Anne Lünenburger und Oliver Weidinger sind die ausführenden Polizisten, geben deren menschlich-allzumenschlichen Gefühlsaussagen emotional-glaubwürdige stimmliche Substanz.

Cyrena Dunbar gestaltet die stumm-tänzerische Dunkelrot mit beklemmender Allgegenwart.

Vor dem Orchester liegt die Spielfläche mit Sitzschalen einer Airport-Lounge , einem Haufen weißen salzigen Sandes und einer grünen künstlichen Palme – darüber die passarelle-ähnliche Gangway des Doku-Zentrums in der Säulenhalle auf dem Reichsparteitagsgelände. Mascha Denekes Bühne greift die geschichtsträchtig beklemmende Atmosphäre des Ortes auf und imaginiert mit wenigen Mitteln die permanente Bedrohung der Menschlichkeit.

Die politische Motivation der Besucher ist offenkundig; Viele erleben die Ausdrucksmöglichkeiten des Musiktheaters neu – die Zustimmung ist groß, und ist nicht nur bloße Betroffenheit. Gut, wenn das Nürnberger Musiktheater diesen Impetus aufgreift! (frs)