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Fakten zur Aufführung 

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)
15. Juli 2010

Festspieloper Prag
Neustadt am Rübenberge


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Verdi im akustischen Nebel

Sommerzeit ist Open-Air Zeit für die Oper. Das birgt neben den etablierten Festivals vor allem auch die Möglichkeit, dass die reisenden Truppen mit ihren Produktionen an quasi jeden Ort fahren können, um eine Wiese, einen Garten oder was auch immer vorhanden ist zur Spielfläche zu nehmen. Auf diesem Weg können auch Bewohner all der Orte, an denen es keine festen Theater gibt, zumindest im Sommer mit Oper versorgt werden – zumindest „auf dem Papier“. Mehr scheint mancherorts nicht möglich zu sein.
Die Festspieloper Prag tourt diesen Sommer einmal wieder mit Verdis Nabucco durch Feld und Flur. Im sehr reizvollen Ambiente des Gartens, der das Schloss Landestrost in Neustadt am Rübenberge bei Hannover umgibt, findet sich zweifelsohne ein adäquater Platz. Der Bühnenaufbau wirkt recht provisorisch, von angedeuteten Kulissen abgesehen kann von Inszenierung im eigentlichen Sinn nicht die Rede sein. Die durchaus schön anzusehenden, der Spielzeit der Geschichte nachempfundenen Kostüme sorgen gleichwohl für opernhaftes Flair, auch wenn das Ergebnis nicht mehr ist als eine kostümierte konzertante Aufführung.
Das Orchester nimmt in einem kleinen Zelt rechts neben der Bühne Platz, Blickkontakt zwischen Dirigent und Bühne ist nur mühselig herzustellen, daran gemessen hält sich die Zahl der verwackelten Einsätze jedoch sehr in Grenzen. Das größte Manko der Aufführung ist, dass sich über die musikalische Qualität insgesamt so gut wie nichts sagen lässt. Eine in jeder Hinsicht unzureichende Einrichtung der akustischen Verstärkung führte den Abend über immer wieder zu derartigen Verzerrungen, überbordenden Lautstärken, störenden Nebengeräuschen und ohrenbetäubendem Pfeifen aus den Lautsprechern, dass schon vor der Pause zahlreichen Zuschauern anzumerken war, dass sie das nicht billigen – verzerrte Gesichter und zugehaltene Ohren sprachen Bände. Auch bei einer reisenden Truppe, die sich jeden Abend auf andere Bedingungen einzustellen hat, darf so etwas in dieser Form nicht passieren. Hier gilt es an die Veranstalter zu appellieren, künftig für bessere Einrichtungen und sorgfältigere Tonproben vor der Vorstellung zu sorgen.
Anna Todorová als Abigaille und Richard Haan als Nabucco sangen ihre Partien überwiegend mit zu viel Druck, Vibrato und gefährdeter Intonation. Monika Brychtová als Fenena, Jurij Kruglov als Zaccaria, Michal Vojta als Ismaele und Oldrich Kriz als Oberpriester – er zeichnet zudem für die szenische Einrichtung verantwortlich – brachten indes durchaus ansprechendes stimmliches Material zum klingen. Leider kam davon wegen der beschriebenen technischen Probleme nicht sehr viel zur vollen Geltung.
Martin Doubravský leitete das Orchester der Prager Festspieloper. Mitunter wurden einzelne Instrumente derart stark in den akustischen Vordergrund gestellt, dass durchaus erkennbar war, wie schön zu musizieren das Orchester in der Lage ist, ein Gesamteindruck entstand dadurch aber nicht – weil eben auch vieles gar nicht zu hören war. Der Festivalchor Prag litt unter den akustischen Mängeln am meisten, er war, warum auch immer, überhaupt nicht an die Verstärkung angeschlossen und somit überwiegend kaum hörbar.
So bleibt nach einer Opernaufführung der merkwürdige Eindruck zurück, dass die Aufführung selbst wegen der unzulänglichen äußeren Umstände nahezu in den Hintergrund gedrängt wurde. Das Publikum reagierte eher verhalten auf den Abend. Und es steht über allem die Frage, ob solche Veranstaltungen dem Image der Gattung Oper nicht mehr schaden als Nutzen und Gewinn fürs Publikum zu bringen.

Christian Schütte