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Fakten zur Aufführung 

TURANDOT
(Giacomo Puccini)
25. Oktober 2008 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


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Üppige Sachertorte

Paul Potts sei Dank!(?) Durch den etwas schüchtern wirkenden Handyverkäufer aus Großbritannien, der dank des angedrehten öffentlichen Interesses sicher bald zum Plattenmillionär wird, ist Puccinis Hit „Niemand schlafe!“ im Augenblick überall der absolute Renner, wenn es um Oper geht: „Nessun dorma“ tönt es aus allen Fernsehgeräten der Republik(en).

Die Gefahr des Einschlafens bestand denn auch in keiner Minute, als die Turandot in der Lesart von Hausherr und Theaterintendant Wolfgang Quetes in Münster aus der Taufe gehoben wurde. Für den immerwährenden Geschlechterkampf um Macht, Unterwerfung und Liebe baute Heinz Balthes ihm einen angenehm sachlichen, weißen Kaiserpalast mit Wandelgängen, auf denen sich die Chormassen ergehen durften. Im Zentrum: eine lange, in die Decke eingelassene Freitreppe, punktgenau vom Schnürboden herabgeseilt. Im Bühnenbild also keine große Spur von China-Kitsch - der dann aber so richtig in den Kostümen zuschlug. Bestes Beispiel: Turandots Geisha-Gewand mit Troddeln in der Frisur.

Ansonsten war alles im Lot: der Kaiserhof echt chinesisch, mit einem Volk, das leblos und mit blutroten Augen in ansonsten völlig fahlen Gesichtern vor sich her vegetiert. Die Tataren Timur und Liu in Stiefeln und pelzverbrämten Steppenkitteln. Warum aber die Minister Ping, Pang und Pong (stimmlich mischten sich Ivan Dimitrov, Thomas Stückemann und Andrea Shin aufs Feinste) als Commedia-del-arte-Harlekine daherkamen, blieb bis zum Finale ein Rätsel.

Das gab manch schönes Bild, vom Licht mal passend, mal leicht kitschig unterstrichen. Man schaute gern hin. Quetes erzählt Puccini als Märchen – Figurenausdeutungen und differenzierte Personenführung waren seine Sache in Münster bislang noch nie. Insofern waren Turandot und ihr Prinz letztendlich auf sich allein gestellt und flüchteten sich in abgegriffene Operngestik. Ob der Gewalt von Puccinis Musik und den bestens aufgestellten Chören (Donka Miteva) gerieten Regiefeinheiten aus dem Blickfeld – doch die opulenten Ensembles machten wirklich etwas her. Fazit: In Münsters gab’s wieder üppige Sachertorte statt feiner Petits fours.

Elizabeth Whitehouse in der Titelrolle: ihre Turandot ist eine kalt klirrende, frostige Prinzessin, an der man die Wandlung zur liebenden Frau nicht so recht nachvollziehen konnte – aber ja auch nicht muss. Ihr Rollendebut jedenfalls war absolut geglückt, Whitehouse wird diese schwere Partie, die sie mit großer Stimme bewältigte, gewiss noch verfeinern können.

Mario Zhang als Kalaf verfügt über einen sicheren Tenor mit untrüglich präziser Intonation. Was ihm jedoch fehlt ist Strahlkraft und ein Mehr an Glanz. Den zeigt ganz prächtig Annette Johansson als Sklavin Liu, die anrührend ihre Liebe zum Prinzen bis in den eigenen Tod beglaubigt. Eine stimmliche Meisterleistung, die man ganz deutlich herausstellen muss.

Ergänzt wird das Ensemble durch die alten Monarchen Altoum und Timur (Mario Brell und Plamen Hidjov) sowie den Mandarin (Donald Rutherford).

Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura und sein Sinfonieorchester stürzten sich beherzt in Puccinis Klangwelten und zeigten eine schöne Leistung – ließen aber nur selten Gänsehaut-Effekte und Tränen im Augenwinkel aufkommen.

Das Publikum war begeistert, hatte es doch einen angenehmen Theaterabend erlebt, der nett unterhielt, auch mal kräftig dramatisch wurde - und vor allem keine existenziellen Fragen aufwarf.

Christoph Schulte im Walde

 








Fotos: Michael Hörnschemeyer