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Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
28. März 2010 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


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Intensive Gefühle - nüchtern ausgestaltet

Erlösung führt nach oben, in den Himmel, in strahlendes Licht. Deshalb wohl erklimmt Parsifal eine endlose Treppe, die zwar reichlich unvermittelt, aber gerade rechtzeitig zu seiner Inauguration als neuer Gralskönig am Ende von Wagners Bühnenweihfestspiel vom Schnürboden herabschwebt. Das übrige Volk, in das sich Kinder und Jugendliche hineinmischen, bleibt derweil am Boden und blickt hoffnungsvoll in eine neue Zukunft.

Die sah fünf Stunden zuvor, als Richard Wagners Parsifal begann, weitaus weniger rosig aus. Weil der Leben spendende Gral unter Verschluss blieb. Amfortas, der sieche Chef der Gralsritter, gestattete nur noch ein einziges Mal den Blick darauf. Der Gral – das ist hier, in der Lesart des Regisseurs Frank Martin Widmaier, ein überdimensionales nüchternes Frauenportrait, dessen linkes Auge eine blutige Träne verströmt. Und das in einem Andachtsraum eines Männerordens! Als nichts anderes nämlich wirken die Gralsritter in ihrem engen Gemäuer. Ihr Kult, den sie allesamt als konzelebrierende Brüder mit je eigenem Kelch feiern, ist ein katholisches Hochamt. Um das Brot des Lebens zu verteilen, fahren kindliche Engel als Kommunionhelfer aus dem Keller hinauf in die Kirche. Eine ziemlich konventionelle Umsetzung.

Dabei wollte Frank Martin Widmaier, so scheint es, ein Epos erzählen, das Religionsgrenzen überschreitet – ein Anspruch, der jedoch bloße Behauptung bleibt und sich einzig darauf beschränkt, im ersten Akt eine Art Kaaba auf die Drehbühne zu stellen. Texte der großen Weltreligionen sind darauf zu lesen.

Doch hier werden nicht überholte Herrschaftsverhältnisse in Frage gestellt, auch geht es nirgends um Sexualität oder um bloße Erotik. Amfortas leidet an einer (beliebigen) Verwundung (Kastration ist offenbar kein Thema), nach deren Heilung durch den „reinen Tor“, der Mitleid zu fühlen gelernt hat, alles wieder im Lot ist.

Dieser Parsifal ist rundherum aseptisch. Versuchung und jede Form von Körperlichkeit werden peinlich prüde angedeutet. Widmaiers Bildersprache bleibt – ganz ehrlich gesagt – gut katholisch. Parsifals weißes Unschuldskostüm, dem Aussehen eines Anstreichers nicht unähnlich, wird allmählich „wissend“ farbig, bekommt orangene Töne - und die Erlösung führt dann geradewegs über die bereits erwähnte Gangway ins Licht. Das ist schon ziemlich simpel.

Die Gegenwelt zur Gralsburg im zweiten Akt gibt sich erstaunlich unerotisch und belanglos. Die Blumenmädchen wackeln mechanisch wie triviale Puppen über die Bühne, Kundrys entscheidender Kuss schmatzt nicht unbedingt verführerisch. Dafür legt Elizabeth Whitehouse gerade in dieser Szene ganz viel Dramatik, Aufgewühltheit und Sinnlichkeit in ihre Stimme. Was der Inszenierung an dieser Stelle an Glut und Ausdruck fehlt, liefert ihr Kundry-Gesang.

Überhaupt: Münsters Parsifal punktet damit, wie er klingt! Reinhardt Hagen gibt mit seiner breit und kontrolliert strömenden Stimme einen idealen Gurnemanz, Matteo Suk mit sicher geführtem Bariton einen in seinem Leiden überzeugenden Amfortas. Paul McNamara in der Titelrolle ist indes keine Idealbesetzung. Dazu ist sein Tenor etwas zu eng, nicht wirklich frei und zu einfarbig. Auch an Brillanz lässt er einiges zu wünschen übrig, ablesbar an der doch recht blassen Gestaltung des Karfreitagszaubers.

Wieland Satter verleiht dem Klingsor glaubwürdige Statur. Ohne Fehl’ und Tadel agieren die kleineren Rollen, die vereinigten Chöre (der Philharmonische Chor Münster, der Konzertchor Münster und der Kinderchor des Gymnasiums Paulinum ergänzen die Profis des Opernhauses) müssen erst noch zu einem homogenen Ganzen zusammenfinden.

Der uneingeschränkte Star dieser Premiere ist das Sinfonieorchester Münster. Bei aller Vorsicht mit Superlativen: dieser Parsifal ist das Beste, was Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura seit seinem Amtsantritt bislang an diesem Hause dirigiert hat. Vom ersten Takt des Vorspieles an bis hin zum Schluss. Was dem Bühnengeschehen weitgehend fehlte – Intensität, suggestive Strahlkraft, das Ausleuchten differenzierter Stimmungen – kam ganz unmittelbar aus dem Orchestergraben. Und dies nahezu in Perfektion. Holz, Blech, Streicher - so subtil gemischt, wie man es sich wünscht. So wurde nicht nur der „Karfreitagszauber“ zu einem orchestral durch und durch traumhaften Erlebnis.

Dies spürte auch das Premierenpublikum. Viel Beifall gab es für die Solisten, sogar für das Regieteam. Doch überschwänglich belohnt wurde Fabrizio Ventura und sein Orchester. Völlig zu Recht.

Christoph Schulte im Walde

 







Fotos: Michael Hörnschemeyer