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Fakten zur Aufführung 

MEISTERKLASSE
(Terrence NcNally)
7. Oktober 2010 (Premiere)

Musikhochschule Münster
Wolfgang Borchert-Theater
Städtische Bühnen Münster


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„Sie singen Sanskrit“

Das glatte Haar nach hinten gekämmt und zum Dutt verknotet, die sperrige schwarze Brille im Gesicht, auf dem Tisch eine Handvoll Partituren und ein Glas Wasser - und dann kommen nacheinander die bedauernswerten Gestalten. „Wer ist das nächste Opfer?“ fragt die Callas mit sarkastischem Unterton. Schon schleicht ein verschüchtertes Etwas auf die Bühne. Doch bevor ein erster Ton überhaupt die Chance seines Erklingens bekommt, weiß die Callas bereits, was ihre Elevin gerade falsch macht.

Keine Frage: Wer sich Anfang der 70er Jahre für die Meisterkurse bei der Diva in der New Yorker Juilliard School angemeldet hatte, musste wissen, was einem blühte. Eigentlich. Aber für viele junge Sängerinnen und Sänger kam es womöglich schlimmer als erwartet. Ein Kommentar wie „Sie singen Sanskrit“ ist ein Schlag ins Gesicht, wenn es um italienischen Belcanto geht. Von derlei verbalen Attacken, die man genüsslich in sich aufsaugt, lebt auch das Schauspiel Meisterklasse von Terrence NcNally, dem bekennenden Callas-Fan. Jetzt feierte es in der Musikhochschule Münster Premiere. Als erste Koproduktion zwischen den Städtischen Bühnen Münster und dem Wolfgang-Borchert-Theater.

Warum war diese Frau, dieser Weltstar, diese Ikone des Belcanto, warum war sie so despotisch? So bitter? So gnadenlos? Das Stück gibt Auskunft darüber. Denn es bildet nicht Eins zu Eins den Unterricht ab, sondern macht sich auf die Suche nach Indizien: die Herkunft der Sängerin aus armen Verhältnissen, die Konkurrenz zur schöneren Schwester. Von all dem erfährt das Publikum en passant, wenn die Callas innehält, ihr Leben reflektiert, ihre Männer zu Wort kommen. Wenn dann aus dem Off die Stimme der „Assoluta“ eingespielt wird, wirkt das wie ein magischer Augenblick. Flugs ist der auch schon wieder vorüber - und weiter geht´s im Kommandoton. „Wir sind hier zum Arbeiten“. Das heißt: völlige Identifikation mit der Bühnenfigur. Immerhin dies hämmert die miserable Pädagogin ihren Schülern ein.

Das Regieteam (Wolfgang Lichtenstein, Stephanie Kniesbeck und Anke Drewes) braucht nur wenige Requisiten, es braucht eine starke Callas. Die verkörpert Monika Hess-Zanger allemal. Mit Haut und Haar stürzt sie sich hinein in ihre Rolle. Unberechenbar, explosiv, frech und verletzend, nachdenklich und traurig. Eine grandiose Leistung, vom Publikum mit frenetischem Beifall belohnt! Manfred Sasse sitzt geradezu sklavenhaft als mechanisch funktionierender Klavierdackel an den Tasten, Matthias Niermann stört als souveräner Bühnenarbeiter. Wunderbar Charikla Tonn als Sopranistin im Minirock, den die Callas ebenso moniert wie ihren Bellini-Gesang; Annette Johansson schlägt sich tapfer durch die Lady Macbeth (das kann die arrogante Lehrerin natürlich besser), Gonzalo Diaz ist als Cavaradossi-Novize geradezu der Sonnyboy eines Tenors auf der Bühne, so witzig und selbstbewusst, dass es sogar der Callas mitunter die Sprache verschlägt.
McNallys Stück wirft Licht auf ganz unterschiedliche Facetten dieser einzigartigen Frau, die sich im Glanz hat sonnen können, doch insgeheim ziemlich einsam war. Vielleicht hat der Journalist Jürgen Kesting recht, der meinte, die Callas habe eine Stimme gehabt „wie eine Flöte, geschnitten aus einer Trauerweide“.

Christoph Schulte im Walde

 









Fotos: © Meyer Originals