Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

JAKOB LENZ
(Wolfgang Rihm)
24. Juni 2010
(Premiere: 17. Juni 2010 im ENERGETICON Alsdorf)

Städtische Bühnen Münster


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Konsequenz: der Tod

Eine Chronik des Verfalls ist Wolfgang Rihms Oper Jakob Lenz, eine Geschichte des Verzweifelns an sich, an der Umwelt. Kurz und knapp portraitiert Rihm das Abgleiten des Dichters Lenz in eine sich nur ihm noch erschließende Wirklichkeit. Und Rihms Werk ist auch gut dreißig Jahre nach seiner Uraufführung noch immer eine Kammeroper der Spitzenklasse.

In der eindringlichen Koproduktion der Städtischen Bühnen Münster mit der Musikhochschule Köln findet Regisseur Manfred Kaderk eine einfache und in ihrer Schlichtheit bestechende Umsetzung. Auf der Bühne nur ein Bett und eine Zinkwanne. In dieser kargen Umgebung quält sich Lenz an seiner Existenz. Hinter dem Vorhang - als Ausdruck von Lenz’ multipler Persönlichkeit - der mal flüsternde, mal hämmernde Chor, der ihn oft tröstet, aber auch weiter in die Verzweiflung treibt.

Freunde wie der Pastor Oberlin und der Arzt Kaufmann sind völlig überfordert und können Lenz nicht helfen. So versinkt er weiter in sich selbst und stirbt am Schluss verzweifelt, aber getröstet in den Armen seiner Doppelgänger: Für Lenz ist der Tod die Konsequenz seines Lebens.

Rihm gelingt ein ebenso kurzes wie fesselndes Zeugnis einer menschlichen Tragödie. Seine Musik macht Lenz’ Seelenzustände für das Publikum in jeder Minute erfahrbar. Wenn der Dichter auf seine gespaltenen Persönlichkeiten trifft, gelingt es Rihm, die ganze wunderschön-fürchterliche Bandbreite zwischen Panik, Sehnsucht, Geborgenheit und Angst darzustellen. Das nimmt mit und rührt an. Da wird die ganze Qual, jede Windung des immer tiefer in den Wahn gleitenden Lenz erfahrbar gemacht.

Und wenn die Partitur dann noch so fein umgesetzt wird wie von Stephan E. Wehr und den Instrumentalisten der Kölner Musikhochschule, entgeht dem Zuhörer weder die ungeheure Farbigkeit der Partitur noch manche Anklänge an Renaissance-Madrigale oder protestantische Choräle. Absolut perfekt agiert der sehr gut auf einander abgestimmte Chor der Stimmen – sämtlich überzeugen die Solisten. Das gilt für Ralf Rhiel als stimmsatten Pastor Oberlin, dem es unangenehm ist, mit soviel Elend konfrontiert zu werden.
Mit sicherem Tenor gibt Raphael Wittmer den Arzt.
Ganz großartig in seiner Rolle aufgehend verkörpert Nico Müller den Lenz. Alle Qualen, alles Leid singt er mit farbenreicher, sicherer Stimme - eine ganz tolle Leistung.

Offensichtlich war in Münster über dieses Gastspiel wenig bekannt, denn nur wenige Zuhörer waren gekommen. Aber alle zeigten sich zutiefst angerührt und begeistert ob dieses eindringlichen Opernerlebnisses.

Thomas Hilgemeier

 








Fotos: Horst Schmeck