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Fakten zur Aufführung 

KATJA KABANOWA
(Leoš Janáček)
14. November 2010 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


Points of Honor                      

Musik

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Im Korsett der Kleinstadt-Gesellschaft

Katja Kabanowa – das ist die Geschichte einer empfindsamen Frau, die verheiratet ist, sich aber in einen anderen Mann verliebt: in den von seinem Onkel brutal schikanierten Boris - eine Liebe zweier Außenseiter, die in der Wirklichkeit keinen Bestand haben kann. Und so schreitet die Katastrophe unaufhaltsam voran.

Katja Kabanowa ist ein Mensch, der das Recht auf eigene Gefühle einfordert und somit der klar strukturierten Ordnung einer Kleinstadt im zaristischen Russland entgegen steht. Eigentlich ist sie nicht viel mehr als Leibeigene der herrischen Schwiegermutter und ihres eigenen schwächlichen Ehemanns. Leoš Janáček schildert diese Gesellschaftsordnung in seiner Musik offen und schonungslos, wie es schon der Autor der literarischen Vorlage Alexander Ostrowskij in seinem Drama „Gewitter“ getan hat. Das Ende ist das einer griechischen Tragödie: Katja begeht Selbstmord, denn etwas anderes wäre aus dem Fluss der Ereignisse nicht denkbar.

John Dew, Intendant des Staatstheaters Darmstadt, ist Regisseur der Oper, die als Dreierkooperation zwischen Darmstadt, der GöteborgsOperan sowie der Städtischen Bühnen in Münster produziert wurde. Dew überzeugt durch seine Konzentration auf die Beziehung der Figuren untereinander. Großartig, wie durch wenige Gesten, etwa ein Herabsenken der Schultern, Hoffnung oder tiefer Schmerz deutlich werden, wie die Gefühlslagen der Protagonisten subtil zum Ausdruck kommen. Aber diese Inszenierung lebt zum großen Teil auch von der Ausstattung: Heinz Balthes reichen da geradezu spartanische Mittel. Er baut eine stählerne Wolga-Brücke, einen nüchternen Schicksalsort. Die Brücke wird, absenkt und leicht nach vorn gekippt, zum gutbürgerlichen Wohnzimmer der Kabanows, in dem die Mutter absolute Herrscherin ist. José Manuel Vázquez steckt die Handelnden in Fin-de-Siècle-Kostüme – sinnbildliche Zwangsjacken ihrer Identität.

Ganz großartig ist die Lichtregie Dieter Göckels: Blau der Hintergrund, blau wie das Grundthema von Katja Kabanowa - das allgegenwärtige Wasser. Göckel lässt es sanft plätschern oder brutal peitschen.

Donka Mitevas Chor war bestens aufgelegt und gab die Dorfbevölkerung. Gut in Form zeigten sich auch die Solisten. Das galt für die kleineren Rollen (Matteo Suk, Simona Maestrini, Christina Holzinger und Ute Hopp) sowie für Andrea Shin als schüchternen Tichon. Plamen Hidjov gefiel in der Rolle des Kaufmanns Dikoj, die er herrlich rustikal interpretierte. Nadine Secunde war eine herrische, schrill und gebieterisch auftretende Schwiegermutter. Norbert Schmittberg als Katjas Liebhaber Boris überzeugte, hatte stimmlich in der Höhe leichte Probleme.

Dort neigte auch Hyuna Ko bisweilen mal zu spitzen, mal nur gehauchten Tönen, doch ansonsten verfügte die junge Sängerin über die Möglichkeiten, die Titelrolle ausgezeichnet zu meistern. Viel Applaus gab es für Judith Gennrich und ihre frische, lebendige Interpretation der Barbara. Als Wanja umjubelt wurde Fritz Steinbacher mit seinem glasklaren, sicheren Tenor – enorm präsent und mit perfekter Diktion.

Fabrizio Ventura gelang es mit dem Sinfonieorchester Münster meisterhaft, den Charakter und die geradezu psychologischen Dimensionen dieser Inszenierung auszudeuten, mal ganz kammermusikalisch, mal mit sinfonischer Wucht. Das war fein und innig, aber auch temperamentvoll musiziert.

Das Publikum zeigte sich begeistert. Janáček in Münster: ein echter Tipp auch für unentschlossene Theaterbesucher.

Thomas Hilgemeier











 
 
Fotos: Michael Hörnschemeyer