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Fakten zur Aufführung 

TOMORROW, IN A YEAR
(The Knife)
5. Juni 2010

Internationale Tanztage Münster
Städtische Bühnen Münster


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Die Dinge ändern sich

Das war so etwas wie die kopernikanische Wende in der Evolutionslehre: Charles Darwin widerlegte mit seinem Buch „Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“ die seinerzeit herrschende Auffassung von der Unveränderlichkeit der Arten. Ein radikal neuer Ansatz, erwartungsgemäß begleitet von heftigem Widerspruch. Diese naturwissenschaftliche Revolution ist erst 151 Jahre alt! Zweifelt heute noch oder wieder jemand an Darwins Bahn brechenden Erkenntnissen? Ja, die „Kreationisten“ - aber das sind im Moment noch verschwindend kleine Kreise von Unbelehrbaren.

Charles Darwin als Bühnenfigur, als Protagonist einer Performance, die schlichtweg alle Sinne berührt - damit machte das Hotel Pro Forma zum Abschluss der Internationalen Tanztage in Münsters rappelvoll besetztem Großen Haus der Städtischen Bühnen unglaublich Furore. Tomorrow, in a year: das ist Musik, Gesang, Videoinstallation, betörendes Licht, überraschende Theatereffekte und natürlich virtuoser Tanz. Auf einer Bühne, die mit bescheidenen Mitteln auskommt: zwei Bewegungsebenen, ein Gazevorhang, ein paar Requisiten und viel Nebel. Dazu neun Akteure. Die inzwischen in der ganzen Welt herumgekommene dänische Produktion liefert einen Stilmix, der ganze Zeitalter mit- und untereinander verbindet. Elektropop und Rock, genauso gut aber auch Mittelalter-Sound und Neue Einfachheit. Da gibt es direkte Anleihen an Henry Purcells Cold Song, an die frühe Mehrstimmigkeit eines Guillaume de Machaut, an das meditative Narkotikum eines Arvo Pärt. „The Knife“ nennt sich das zweiköpfige Team, dem diese Musik eingefallen ist.

Darwins Entdeckungsreise, fünf Jahre auf dem Schiff, ist sowohl Initialzündung als auch Roter Faden dieser Produktion. Eine Reise in die reale Welt, eine Reise aber auch ins Innere des Menschen, seine Herkunft, seine Zukunft. Da ist die Rede von geologischen Befunden, von Pflanzen und von Tieren, von Wasser, Wind und Wetter. Eher versatzstückhafte Gedanken, rhapsodisch aneinander gereiht. Man weiß nicht so genau, woher und wozu.

Tomorrow, in a year ist keine Darwin-Biografie. Punkthaft wie die auf die Bühne gerichteten grünen Laserstrahlen werden Sequenzen aus Darwins Reisetagebüchern deklamiert, auch zoologische Erkenntnisse oder Details über das Leben von Mikro-Organismen. Am Ende steht die unumstößliche neue Theorie: die Dinge ändern, sie entwickeln sich. Mehr scheint diese Performance auch gar nicht sagen zu wollen. Das immer wieder problematische Verhältnis von Natur und Kultur, die Spannung zwischen Ökologie und Ökonomie, derzeit tagtäglich im realen Leben spürbar, bleibt außen vor. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, schließlich kommt die Welt auch ohne den Menschen aus, der Mensch aber nicht ohne Welt. Zivilisation: nur eine kleine Episode in der Geschichte unseres Planeten.

Christoph Schulte im Walde

 









Fotos: Hotel Pro Forma