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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
12. Oktober 2010
(Premiere: 10. Oktober 2010)

Städtische Bühnen Münster


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Keine Erlösung

Die Blitze zucken, es stürmt der Wind – ein heftiges Gewitter liegt über dem Containerhafen und der hohen See. Daland muss vor Anker gehen. Kurz darauf landet auch der Holländer. Und los geht die Geschichte um unerfüllte Sehnsüchte, unerlöstes Dasein.
Andreas Baesler (Regie) und Andreas Wilkens (Bühne) gucken in die Welt des Unternehmers Daland, der Containerschiffe durch die Ozeane schickt und für etwas anderes als Geld eigentlich kaum einen Blick hat. Wie gegensätzlich dazu die idyllische Welt der norwegischen Mädchen. Trautes Heim, Glück allein – mit Holzvertäfelung in Eiche rustikal, Bierhumpen auf dem Regal (für die zurück erwarteten Seeleute) und gemütlichem Kachelofen. Da lässt sich bequem an einer meterlangen Flagge nähen. Nur Senta hat anderes im Kopf und auf dem vom Videorecorder gespeisten Fernseh-Bildschirm: ein Phantom. Ein Phantom, das wenig später reale Gestalt annehmen wird. Pech für Erik, den feschen Motorradfahrer mit streng gezogenem Scheitel, der seine Felle davon schwimmen sieht. Ewige Treue, das scheint passé – aber wohl auch dem Holländer, der sich Sentas Liebesbezeugungen ihm gegenüber nicht mehr sicher ist. Doch er sticht nicht (wie bei Richard Wagner) als Ahasver wieder in See. Vielmehr greift Senta zur Flinte, erlöst den Holländer durch einen gezielten Schuss und dann sich selbst.
Wagners Erlösungs-Oper verträgt Baeslers behutsam aktualisierende Inszenierung problemlos. Meterhohe Containerberge prägen das Bühnenbild, mitunter wird es auch etwas (sehr) „tümelich“: die Dorfmädchen stecken in steiflich-traditionellen Kleidern, die Haartracht der Obernäherin Mary macht jener der ukrainischen Politikerin Julija Tymoschenko (geflochtener Haarkranz als Krönung des Hauptes) mächtig Konkurrenz. Erik gekleidet in nazihaftem Stil, wenn auch ohne Hakenkreuz (das dafür in der Stube der Näherinnen klar erscheint). Dalands Mannen haben sich zur Begrüßung der Kollegen vom Schiff des Holländers in Schale geworfen und tragen Trachten, die ihnen in einem norwegischen Musikantenstadl viel Beifall einbringen würden. Zumal sie auch einen entsprechenden Tanz rund ums Feuer abliefern. Das wirkt alles ein klein wenig überzeichnet. Senta ist optisch wie darstellerisch die Außenseiterin mit Erlösungs-Mission, der Holländer ist ein Holländer (also in schwarzem Ledermantel).
Der Einbruch des Aktuellen in die Inszenierung gelingt ganz am Ende, als sich die Mannschaft des Holländers entpuppt als ein Heer aus Elenden, Verdammten, Entrechteten. Erst sind sie hinter Gittern eingesperrt – bis diese Gitter umgepflügt werden. Da wird Sentas ausgeprägt altruistische Ader natürlich ganz besonders aktiviert.
Johannes Schwärsky ist der Holländer, ein nobler, einer mit schwerem, finsterem Bass, etwas hohl in der Klangfärbung, aber durch und durch imponierend. Turid Karlsen ist die Senta, erst abwesend wie in einer anderen Welt, dann emotional heftig hingezogen zur leibhaftig gewordenen Vision. Ihre Stimme hat guten Sitz, leuchtet in der Höhe und bietet changierende Farben – was Wolfgang Schwaninger als Erik wiederum nicht tut. Sein leicht nasaler Tenor ist nicht immer aber oft zu laut, auch etwas eindimensional. Andrea Shin macht als Steuermann eine (zu erwartende) gute Figur, Suzanne McLeod beglaubigt die Autorität der Mary mit gebieterischem Mezzo, Plamen Hidjov bemüht sich um eine kraftvolle Darstellung des Daland.
GMD Fabrizio Ventura steht am Pult des Sinfonieorchesters Münster, das eine veritable Klangkultur vorlegt. Gelegentlich kiekst das Horn, mehrfach wackelt die Koordination zwischen Bühne und Orchestergraben. Doch insgesamt kann sich diese gesamte Produktion sehr gut sehen und hören lassen.

Christoph Schulte im Walde

 











 
Fotos: Michael Hörnschemeyer