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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
16. Januar 2011 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


Points of Honor                      

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Glücklich ist, wer vergisst

Und zum guten Ende fließt der Champagner in Strömen: alle liegen sich in den Armen, weil weit und breit Versöhnung angesagt ist. Nur Gabriel von Eisenstein muss – gerecht ist gerecht - seine Arreststrafe absitzen. Die Welt ist wieder heil nach der Fledermaus an den Städtischen Bühnen in Münster. Richtig kaputt ist sie vorher aber auch nicht.

Intendant Wolfgang Quetes verlegt die Handlung – ohne Begründung – in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Das bietet José Manuel Vázquez die Möglichkeit, sich in der Cocktail- und Abendkleidmode jener Zeit auszutoben und eine wunderbare Kostümvielfalt auf die Bühne zu zaubern, deren Beginn in einem typischen Wohnzimmer angesiedelt ist (Bühne: Heinz Balthes).

Quetes’ oberstes Ziel scheint es zu sein, die Handlung möglichst präzise und fließend zu erzählen. Diesem Ziel ordnet er viel unter. So lässt er Figurenausdeutung völlig fallen und verzichtet zugunsten des Fortgangs der Geschichte auf das Erstellen sinngebender Bilder. Dafür gibt es ein ewiges Hin und Her an der Rampe. Dort wird weitestgehend zum Publikum gesungen, die Bewegungen ordnen sich einem deutlich dominierenden Rechts-Links-Schema unter.

Und es gibt sie wieder: die Polonäsen, das Stampfen der Füße und das Wippen beim „Oje , oje , wie rührt mich dies’“ und die durch die Zeitung brennende Zigarre des Gefängnisdirektors - echte Regieklassiker, die aber auch heute offensichtlich noch für wirkungsvoll erachtet werden. Insgesamt ist der Humor eher hemdsärmelig, da könnte es manchmal durchaus etwas delikater zugehen. Eine große Chance wird vertan beim Auftritt des Frosch, der hier ohne jeglichen Lokalbezug abgeht. Das ist schade, denn in jeder Kommune gibt es sicher Aufreger, die sich gut verarbeiten ließen. Benjamin Kradolfer Roth hangelt dafür virtuos an einer Bibliotheksleiter.

Freude bereitet das Sinfonieorchester Münster unter Kapellmeister Hendrik Vestmann. Da bekommt man eine Ahnung von der Vielschichtigkeit, die Strauß’ Werk innewohnt. Da klingen Melodiebögen, es tritt aber auch ein Stück jener Doppelbödigkeit zu Tage, die das Geschehen auf der Bühne nur ahnen lässt, wenn auch das Orchesterspiel ein wenig quecksilbriger hätte dahingleiten können.

Sicher und voll Selbstbewusstsein singt Henrike Jacob die Kammerzofe Adele, Fritz Steinbacher gibt prima einen stimmlich sicheren Eisenstein, wenn man auch seinen hellen Tenor nicht unbedingt mit dieser Rolle assoziiert. David Pichlmaier ist ein nobler, junger, stimmschöner Dr. Falke und Thomas Stückemann als Dr. Blind ein formidabler Emsemble-Sänger. Annette Johansson verfügt über einen tollen, ausgeglichenen Sopran, dem es für die Rolle der Rosalinde allerdings noch an Kraft und Gestaltungsfähigkeit mangelt. Da sollte sie sich noch ein wenig Zeit lassen. Judith Gennrich bringt für den Orlofsky eigentlich alle Voraussetzungen mit, hatte am Premierenabend leider mit Intonationsproblemen zu kämpfen. Ruheständler Andreas Becker ist ein rustikaler Gefängnisdirektor. Reichlich überfordert mit der Rolle des Alfred war Daniel Szeili, dessen Tenor sich zwar als kraftvoll, aber kaum intonationssicher erwies.

Schöne Musik, schöne Kostüme, gefällige Bilder – das genügte einem großen Teil des Premierenpublikums. Mit rauschendem Beifall bedankte es sich bei allen Akteuren, zwei schüchterne Buhs für die Regie seien der Vollständigkeit halber erwähnt.

Thomas Hilgemeier

 













 
Fotos: Michael Hörnschemeyer