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Zerstörte Philosophie
Wozzeck; der autistische Weltendeuter, verzweifelt an der ignoranten Umwelt.
Diese verstörend mitleidend erlebbare Konzeption vermittelt Peter Beat
Wyrsch in distanziert-intensiven Situationen.
Herbert Kapplmüllers transistorische Bühne - mit gestapelten offenen Containern
zu beiden Seiten, Graben und Steg dazwischen und einem Großbild der apokalyptischen
Reiter Dürers dahinter - bietet kommunikative Räume für quälend bedrängende
Szenen.
Münsters Theater bietet ein hochklassiges Ensemble auf: sowohl Stefan
Adam als selbstzerstörter Philosoph Wozzeck als auch Ines Krome als unverstanden-lebenshungrige
Marie leisten darstellerisch Bewegendes setzen stimmlich existentielle
Emotionen um. Gleiches gilt für Anke Kempes als forschungsidiotischen
Doktor, Mark Bowman-Hester als zynischen Hauptmann und Markus Petsch als
geilen Tambourmajor. Bösartige Karikaturen gesellschaftlicher Prototypen
bevölkern die Szene, treiben den hilflos flüchtenden Wozzeck in die Katastrophe:
Eine außergewöhnlich dichte und kompetente Ensembleleistung!
Der Star des Münsteraner Wozzeck ist Will Humburg: bei seiner letzten
Premiere in Münster gelingt es ihm wieder, das Symphonieorchester Münster
zu bewundernswerten Leistungen zu führen: Vermittlung atonaler, tonaler
und freier Rhythmen, prononcieren des Wechsels von sensiblen Soloinstrumenten
zu volltönenden Tutti, präzis geleitete Crescendi ohne lärmende Effekte,
großartig ausgebreitete Intermezzi, die hörbar werden lassen, dass Bergs
Geniestreich zum "Klassiker" moderner Musik werden konnte.
In Münster ist das Haus nicht voll besetzt - aber die Aufmerksamkeit ist
gespannt, die Begeisterung riesig, und der Abschied Humburgs ist für viele
offenkundig ein schmerzlicher Verlust. (frs)
Karten unter (0251) 41 467-100 |
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