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Ironische Distanz
Der Dirigent "glaubt Strauss nicht", die Regisseurin setzt auf "Utopien
und Abschiede", der Co-Regisseur sieht es "nicht eindeutig" - diese vagen
Vorstellungen bestimmen den Münsteraner "Rosenkavalier". Gabriele Rech
inszeniert einige schöne Kammertableaus, findet aber mit dem Zeitsprung
von Fin de sicle zum aktuellen Praterbeisel kein schlüssiges Konzept.
Will Humburgs Dirigat ist wie üblich von höchstem Elan, doch bleibt die
Musik - trotz gut aufgelegtem Symphonieorchester Münster - merkwürdig
uninspiriert, man wird den Verdacht nicht los: der Maestro mag den Strauss
nicht, will ihn ironisieren.
Gesungen wird auf gutem Niveau: Judith Gennrich gibt den Octavian als
androgynen Cherubino mit prima Phrasierungskunst; Ines Kromes Marschallin
lebt von ihrem intensiv-geschmeidigen Sopran; die Sophie Anna Korondis
wird stimmschön gesungen, vermag aber das Klischee nicht zu konterkarieren;
Daniel Lewis Williams gibt den Ochs mit aller Routine seiner Paraderolle,
ebenfalls ohne neue Konturen zu gewinnen. Die kleineren Rollen sind hochkompetent
besetzt, vor allem Stefan Adam präsentiert glaubwürdig einen sozial verunsicherten
Aufsteiger - an ihm wird die Sentenz vom "Abgesang auf eine Epoche" deutlich.
Hervorzuheben die enorme Spielfreude des Chors und der Statisterie der
Städtischen Bühnen und des Paulinum-Kinderchors!
Die delikate Farbigkeit von Bühne und Kostümen von Nicola Reichert bieten
dem Auge angenehme Rezeptionsflächen und geben Raum sowohl für intime
als auch für quirlige Massenszenen.
Im Publikum sind überraschend viele "Uneingeweihte", denen die Musik entweder
zu "schmalzig" oder zu "modern" klingt; da hat Münsters Theater Basisaufklärung
zu leisten. Der Beifall ist herzlich und lang - obwohl der Sonntagabend
erst gegen halb Zwölf endet, mit anschließender Premierenfeier werden
die Gäste wohl nicht vor ein Uhr nachts zu Hause ankommen (warum man nicht
um 17 Uhr beginnt ist unerfindlich - so können wohl nur Rentner, Arbeitslose
und Friseure sich das Vergnügen zumuten). (frs) |
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