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Fakten zur Aufführung 

DiE EROBERUNG VON MEXIKO
(Wolfgang Rihm)
7. Juni 2005
(Premiere: 14.5.05)

Städtische Bühnen Münster

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Genozid im Freizeitpark

Eine leider unfreiwillige Parodie auf Wolfgang Rihms Idee eines „Theaters aus dem Körper des agierenden Menschen“ - mehr ist zumindest szenisch nicht herausgekommen bei dem Versuch der Städtischen Bühnen Münster, „Die Eroberung von Mexiko“ auf die Bühne zu stemmen.

Wo Rihm auf Textsplitter Antonin Artauds mit einem ekstatischen Musikritual die Entdeckung der Neuen Welt und ihre Folgen als Inbegriff des aggressiven (Selbst)zerstörungspotenzials der ratiozentrierten abendländischen Zivilisation dekuvriert, da kolonialisiert Regisseur Peter Beat Wyrsch das Rihmsche Musiktheater-Archipel mit einer in gigantische Größenverhältnisse aufgeblasenen Otmar-Alt-Ausstellung. Diese präsentiert ein hübsches Puzzle naiv-abstrakter, farbenfroher Plastiken und Figuren: Genozid und Ökozid im Disneyland-Format.

Otmar Alt, verantwortlich für Bühne und Kostüme, hat die Spieler und Sängerdarsteller derartig überladen und bewegungsfeindlich verpackt, dass sie fast nur noch über ihr Blickverhalten agieren können. Das scheint dem antipsychologischen und antirhetorischen Theaterverständnis Artauds nahe zu kommen, schneidet die Spieler tatsächlich aber von jeder Möglichkeit einer räumlich-dynamischen Körperemanation ab. „Den Raum sprechen lassen“, diese Forderung Artauds veranlasst Wyrsch äußerstenfalls dazu, einen mit Schleichschritten durch das Parkett tappenden Bewegungschor aus Laiendarstellern aufzubieten.

Angesichts einer derartig geballten Ignoranz gegenüber Gehalt und Ausdruckswillen von Werk und Komposition hat es selbst eine so grandiose Verwirklichung des Raumklangs, wie sie Christian Voß und die im Graben, auf der Bühne und den Rängen positionierten, enthusiastisch musizierenden Instrumentalisten des Sinfonieorchesters Münster bereithalten, schwer sich zu behaupten. Mögen die repetitiven Schlagzeugeruptionen noch so aufpeitschend auf die Zuhörer niederprasseln, mögen am Ende die beiden famosen Solisten Ingo Anders (Cortez) und Judith Gennrich (Montezuma) den resignierenden Zwiegesang der niedergekämpften Antipoden noch so zartfühlend und beklemmend wiedergeben, die biedere Bühnenoptik nivelliert doch alle musikalischen Spannungsverläufe.

Das im Verlaufe des Abends stark dezimierte Publikum quält sich zum Teil gelangweilt durch die Vorstellung und honoriert am Ende brav die exorbitante Leistung von Orchester und Vokalisten. (ct)


Fotos: © Michael Hörnschemeyer