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Fakten zur Aufführung 

MANON
(Jules Massenet)
3. Mai 2008 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


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Die großen Gefühle brodeln

Vor den Problemen zu fliehen, ist eigentlich immer der schlechteste Weg. Denn sie holen uns früher oder später wieder ein, ob wir wollen oder nicht. Und wenn der Chevalier des Grieux meint, die verkorkste Beziehung zu der schönen Manon dadurch vergessen zu können, dass er in den geistlichen Stand tritt, kennt er das Innerste seines eigenen Herzens nicht. Da drinnen nämlich kocht der Liebesfunke weiter.

Und so kommt es in Jules Massenets Oper „Manon“, wie es kommen muss: der Chevalier lässt Kirche und Kloster hinter sich und türmt. Mit Manon, der wiedergefundenen, die ihn in einer herzzerreißenden Szene zu diesem Entschluss hat bewegen können. Das Ganze endet tragisch – und für Manon tödlich. Aber bis dahin sind gute drei Stunden Oper vergangen, mal herzende, mal schmerzende.

Wolfgang Quetes, Münsters Generalintendant, hat Massenets ersten großen Opernerfolg vor zwei Jahren im Theater Hagen herausgebracht. Jetzt wird diese Inszenierung in seinem eigenen Haus in Münster gespielt. Nun ja, die spröden, kalten Metallwände, die Manfred Kaderk als äußeren Rahmen der Handlung damals auf die Hagener Bühne gestellt hat, haben inzwischen etliche Dellen und Riefen bekommen, bieten aber immer noch einen deutlichen Kontrapunkt zu den historisierenden Kostümen, in die Tina Toeberg das Bühnenpersonal steckt. Biedermeier hier, Moderne dort.

Hinter dieser Vorgabe des optisch angelegten Kontrasts lässt sich eine inhaltliche Intention indes kaum erahnen. Muss auch nicht, denn Wolfgang Quetes erzählt Manons Wandlung von der naiven Kindfrau mit Püppchen im Arm zur eleganten Dame, die im mondänen Paris den Luxus lieben gelernt hat, ziemlich geradlinig. Dabei kann er sich auf ein Solistenensemble verlassen, das mit brodelnden Emotionen nicht spart und so für anhaltende Spannung sorgt.

Allen voran schafft Münsters Erster Kapellmeister Hendrik Vestmann am Pult des Sinfonieorchesters eine durch und durch elektrisierende Atmosphäre, die in keinem Augenblick abfällt. Den mitunter süßen Schmelz der Musik lässt er zu, mobilisiert andererseits dampfende Energie, wo Massenet beinahe jene musikalische Kraft entwickelt wie später Giacomo Puccini in seiner Manon-Version. Vestmann schlägt den großen Bogen und hält Massenets vielteilige, oft aus divergierenden Bausteinen zusammengesetzte Partitur wunderbar zusammen, animiert den Chor (Einstudierung: Donka Miteva) zu federndem Klang.

Einen rundum guten Eindruck hinterlässt vor allem auch das Solistenensemble: Juhan Tralla ist ein konditionsstarker Des Grieux, der seine wechselnden Gefühle überzeugend transportiert und zielsicher die Höhen trifft - vielleicht zu oft unter dem Eindruck, generell unter ziemlichem Druck zu singen. Jaroslaw Sielicki gibt mit seinem kerngesunden, ebenmäßig strahlenden Bariton Manons Vetter Lescaut, Andrea Shin den eifersüchtigen Lebemann Guillot. Andrey Valiguras, bereits vor zwei Jahren in Hagen als Comte ein würdevoller Vater des Chevaliers Des Grieux, gibt der Rolle mit seinem raumgreifenden Bass unverwechselbare Statur. Ganz ausgezeichnet verkörpert Julia Neumann die Titelpartie. Sie changiert zwischen dem einfachen Mädchen und der Grande Dame, meistert die nicht unspektakulären Koloraturen vor allem im dritten Akt mit spielerischer Leichtigkeit. Dann Neumanns Sterbeszene: selten erlebt man sie so natürlich, unaufgesetzt, berührend wie hier. Das weckt tiefstes Mitfühlen – und schlägt um in brausenden Premierenapplaus. Die Münsteraner lassen sich begeistern von der Musik – dass clevere, gar innovative Regieleistungen an diesem Haus momentan nicht zu erwarten sind, weiß das Publikum längst.

Christoph Schulte im Walde

 






Fotos: Michael Hörnschemeyer