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"America for ever"
Die größte Überraschung beim wieder einmal stimmungsvollen Premierenabend
in Münster: Attila Wendler präsentiert den hässlichen Amerikaner, verblüfft
mit einem wunderbaren Legato, setzt die sicheren Höhen bravourös um und
demonstriert durchaus lyrische piani. Mit Victoria Safronova debütiert
eine gespaltene Butterfly, hin- und hergerissen zwischen japanischer Tradition
und amerikanischem lifestyle, stimmlich brillant, allerdings ohne letzte
Vermittlung emotionaler Kräfte. Tina Hörholds Suzuki bleibt unauffällig-zuverlässig,
Radoslaw Wielgus beeindruckt als cooler Vertreter der US-Administration,
gibt dem Sharpless kräftige Kontur, Mark Bowman-Hesters Goro hat ungewöhnliches
sängerisches Profil. Der Damenchor überzeugt mit einem Summ-Chor in feinstem
pianissimo.
Das Symphonieorchester der Stadt Münster gibt unter Christian Voß einen
gebrochenen Puccini-Klang, hat Stärken in den dramatischen Schlussakten
mit den legendären Musikgeschichte machenden Dissonanzen, aber auch mit
äußerst gefühlvollen Streicherpassagen, in den Einsätzen allerdings sind
Unsauberkeiten unüberhörbar. Dazu spielen die Musiker gegen ein kontrastierendes
Bühnengeschehen, das mit Puccinis Musik wenig anfangen kann.
Peter Beat Wyrsch inszeniert einen konfusen "Kampf der Kulturen": japanische
Traditionsinseln im "modernistischen" Fernost, versetzt mit kulturimperialistischen
US-Ikonen à la Coffee Shop, Coca Cola, Architekturelementen (Parkhauseingang)
und neu-japanische Comic-Bilder, Mangas. Butterfly unterliegt, Pinkerton
bemerkt seine Fehleinschätzung - Wyrsch ist in Schwarz-Weiß wohl political
zu correct - doch Butterfly stirbt nach japanischem Ritual (so sieht das
ja auch das Libretto vor): America for ever! Wieder einmal ein zynischer
Erfolg im Kampf der ungleichen Zivilisationen.
Die Bühnenbauten Jürgen Lanciers bieten ein Klangomerat von Blicken in
geheimnisvolle Fenster, aufgebauten Straßencafés, düsterem Parkhauseingang,
alles versammelt um einen Coffee-Shop mit Stars und Stripes. Eine plausible
Geschichte will sich hier nicht verorten lassen, alles bleibt im konfusen
Durcheinander der Situationen. Die Handlung der gewählten Langfassung
schwankt zwischen chaotischem Aktionismus und Phasen langatmiger szenischer
Verunsicherung.
Das Premierenpublikum folgt dem verrätselten Geschehen einigermaßen hilflos,
zeigt auch beim durchaus herzlichen Schlussapplaus Zeichen von Irritation,
bedankt sich bei Solisten und Orchester, bleibt indifferent beim Regieteam.
Diskussionen finden nicht statt. (frs) |
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