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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
9. Oktober 2008
(Premiere: 2. Oktober 2008)

Bayerische Staatsoper München


Points of Honor                      

Musik

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Regie

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Gefühlskalt

Mit einem geisterbahntauglichen Sturm–Soundeffekt hebt sich der Vorhang und lenkt den Blick auf eine nächtlich blau beleuchtete, mit Nebel umwaberte Bühne. Dann erst hebt Nicola Luisotti den energisch geführten Taktstock zur musikalischen Eröffnung von Verdis Macbeth.

Die Reihenfolge Effekte – Bühne - Musik ist Programm in dieser ersten Neuinszenierung der Spielzeit unter dem neuen Intendanten Nikolaus Bachler.

Martin Kusej hat zusammen mit dem Bühnenbildner Martin Zehetgruber teilweise starke Räume und Bilder für das Wirken der bösen Mächte in und um uns gefunden: Der von Totenköpfen übersäte Bühnenboden, die matt durchsichtigen Plastikfolien, die zeitweise einen intimen Raum herstellen, auch der überdimensionale Kronleuchter als Symbol für die erlangte Macht, auf dem die Lady lustvoll schaukeln darf, haben Aussagekraft.

Allerdings greift die Regie häufig zu viel zu plakativen, eindimensionalen Mitteln, und so bewirkt dieses Schaukeln einen wohl nicht beabsichtigten Lacheffekt mit Szenenapplaus wie auch die pinkelnden Statisten zu Beginn der Hexenszene oder die barbusigen Luftgeister mit pinkfarbenen Haaren, die Plastikfolie aus dem Mund ziehen und dann damit raschelnd wedeln. Echte magische Momente werden zerstört, wie beispielsweise wenn der ohnmächtige Macbeth tatsächlich in der Luft schwebt. In diese Kategorie fallen auch die kopfüber vom Schnürboden baumelnden nackten Männer, die man in München nun schon häufiger gesehen hat – als Bild für Kriegsgräuel, Folter und Totschlag. Nur sind diese Körper meistens sehr gesund und rufen Publikumsreaktionen wie das hinter mir kichernd getuschelte „gib mal das Fernglas, schnell...“ aus weiblichem Munde hervor, anstelle von Gänsehaut und Schaudern.

Kusej hat dem famos singenden Staatsopernchor einen Haufen Statisten beigestellt, der einen Großteil der Szenen allein sehr engagiert auf der Bühne agiert, während der Chor aus dem Off singt. Die Hexen verkörpern sechs blonde Kinderstatisten, die wie auch all die anderen magischen Erscheinungen der Oper aus einem windschiefen Zelt am rechten Bühnenrand kriechen. Wirklich fesselnd gelingen diese Szenen allerdings nicht – zu unbeteiligt wirken die Darsteller, zu wenig können Musik und Szene ineinander greifen. In den Massenszenen bedient sich Kusej häufig des Tableaus, gezückte Schwerter werden gereckt und dazu singen die Solisten meist an der Rampe – in Bezug auf die Personenführung doch etwas wenig moderne Regie-Kunst.

Musikalisch bietet das gesamte Ensemble und das Orchester hohes Niveau. Die Hauptpartien sind mit Zeljko Lucic und Nadja Michael als mordendes Ehepaar, mit Roberto Scandiuzzi als Banco und Dimitri Pittas als Macduff ideal besetzt. Lucic vermag dem zwiespältigen Macbeth zunächst mit weicher Stimmgebung und am Schluss mit dröhnender Verachtung Profil zu verleihen. Nadja Michael verkörpert die Ehrgeizige Lady ohne Rücksicht auf stimmliche Verluste und sieht dabei immer extrem gut aus. Doch aller Einsatz, auch der des Dirigenten Luisotti, der eine markig kantige, energiegeladene Interpretation wählt, lassen das Publikum eher kalt. Zu viel Konstruktion auf Kosten der Emotion lassen nur kläglich verhallende Ansätze von Zwischenapplaus aufkommen, die länglichen Umbaupausen zwischen den Akten ziehen sich qualvoll, am Schluss gibt es wohlwollenden Applaus für die Protagonisten ohne echte Begeisterung.
Ingrid Franz

 




Fotos: Wilfried Hösl