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Fakten zur Aufführung 

LUCIA DI LAMMERMOOR
(Gaetano Donizetti)
12. Mai 2009
(Premiere: 9. Mai 2009)

Städtische Bühnen Münster


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Der „Star“ ist Edgardo!

Um Macht und um Ehre geht es in Lucia di Lammermoor, und in Zusammenhang damit um eine Hochzeit aus Kalkül. Dafür braucht es keine prächtigen Bilder, keine üppige Ausstattung, vom Brautkleid einmal abgesehen. Karin Fritz stellt zwei riesige Segmente auf die Bühne, ein offenes und ein geschlossenes, in denen über Lucias Zukunft als Angetraute Arturos entschieden wird, die den Rahmen für die Eheschließung bieten, die schließlich der Szene auf dem Friedhof dienlich sind. Regisseurin Katharina Rupp reichen diese übersichtlichen Mittel völlig aus, mit ihnen setzt sie das Lieben und Leiden und Schachern um Einfluss prägnant und sinnfällig in Szene.

Donizettis Lucia di Lammermoor ist eine Sängeroper par excellence. Da wird ein Höchstmaß an Expressivität verlangt, sind Dramatik und Suggestivkraft unabdingbar. Henrike Jacob in der Titelrolle ist weise genug, mit ihrem Sopran gut hauszuhalten um bis zum Schluss in der Wahnsinns-Arie Präsenz zeigen zu können. Ohn’ Fehl und Tadel deliriert sie denn auch, scheint der Welt völlig entrückt und faselt von ihrem Edgardo. Doch eigentlich müsste einem dabei das Blut in den Adern gefrieren. Wenn dies wie hier, im Rollenportrait von Henrike Jacob, ausbleibt, liegt das schlicht daran, dass die Anforderungen an diese Partie nichts für ihre Stimme sind. Vielleicht kann man sagen: noch nicht. Jacob singt längst eine wunderschöne Susanna – aber die Lucia, an die sich die Sängerin hier wagt, ist etwas ganz anderes! Da stellt man sich doch weitaus mehr an Durchsetzungsfähigkeit, an Brillanz und Größe vor. Keine Frage: die Töne sind alle richtig, die Koloraturen perlen. Glutvolle Intensität aber geht ihr (noch) ab.

Da ist Lucias Bühnen-Bruder Enricos Ashton schon von anderem Schrot und Korn: Matteo Suk mobilisiert seinen raumgreifenden, noblen Bariton und lässt weder stimmlich noch darstellerisch einen Zweifel an seiner Entschlossenheit, seine Pläne zu realisieren. Gebieterisch tritt er auf, er duldet keinen Widerspruch. Plamen Hidjov gibt den etwas steiflichen Raimondo - mit Römerkragen ein typischer Geistlicher, der Lucia vorbehaltlos Glauben schenkt, gleichwohl Pragmatismus predigt. Wie in Trance schildert er von der Bluttat Lucias, die „ihren“ Arturo kurzerhand mit dem Dolch erledigt hat.

Alisa, Lucias Vertraute, hat nicht gar zu viel zu singen, darf in dieser Inszenierung aber immer wieder mal medizinisch eingreifen: Suzanne McLeod hat weder Angst, Spritzen zu setzen noch starke Beruhigungstropfen zu dosieren. Und die wenigen Kommentare, die sie zu singen hat, singt sie überzeugend. Fritz Steinbacher als Normanno macht seine Sache gut, sehr gut; Für Sergey Tkachenko als ungewollter Lucia-Bräutigam kommt diese Rolle viel zu früh: zu schmal und kraftlos ist sein Tenor.

Bleibt Edgardo, der von Lucia Angebetete. Den gibt Andrea Shin. Und er ist uneingeschränkt der eigentliche Star dieser münsterschen Inszenierung. Shin fühlt sich mit Haut und Haar hinein in die Seele des Geliebten, der völlig außer sich gerät, als er von der vermeintlichen Untreue Lucias erfährt; der am Ende auf dem nebelverhangenen Friedhof seine herzzerreißende Klage anstimmt – und seinem Leben ein Ende setzt. Bis zum Exitus dauert’s – wie so oft in der Oper! Das ist gut, denn so kann Andrea Shin noch ein letztes Mal seine Qualitäten offenbaren, seinen beweglichen, völlig intonationssicheren und – vor allem – echte Gefühle transportierenden Tenor klingen lassen.

Hendrik Vestmann leitet das Sinfonieorchester Münster. Wieder einmal aufregend gut. Münsters Erster Kapellmeister kostet das Delikate in Donizettis Partitur aus, er hält perfekte dynamische Balance zwischen Graben und Bühne, lässt einen geschlossenen Ensembleklang entstehen. Da macht es Spaß zuzuhören, vor allem in den ganz großen Szenen, in denen auch der Chor (ausgezeichnet einstudiert von Donka Miteva) eine gute Figur macht. Ein Sonderlob für die vier Hörner, die Donizetti immer wieder an exponierter Stelle fordert: sie spielen unglaublich gut!

Das Publikum im nahezu ausverkauften Haus ist schon zur Pause sehr angetan vom Geschehen auf der Bühne. Abonnenten, die sowieso immer kommen, aber auch viele junge Gesichter, die sich – denn Dienstag ist in Münster Studententag! - womöglich eine günstige Karte an der Abendkasse besorgt haben. Nach dem Schlussakkord dann großer und vor allem lang anhaltender Jubel. In einem Maß, das gewohnte münstersche Verhältnisse deutlich übersteigt.

Christoph Schulte im Walde

 






 
Fotos: Michael Hörnschemeyer