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Fakten zur Aufführung 

DON CARLO
(Giuseppe Verdi)
3. März 2004


Städtische Bühnen Münster




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Terror

Wann erlebt man in Münster standing ovations - bei einem Publikum, in dem Provinziell-Bornierte durch nichts zu erreichen sind, andere Hemmungslos-Begeisterte an atemraubenden Stellen die zuckenden Händchen zusammenknallen, Opernhuschen ins fortdauernde trauliche Zwiegespräch versinken, wieder andere die Oper als Ort ihrer Hustenattacken präferieren? Und so wurden die ersten respektvoll-enthusiastisch Aufstehenden zunächst murrend zum Sitzen aufgefordert - aber schließlich setzte sich doch die Erkenntnis durch, eine sensationelle Aufführung angemessen zu würdigen. In Münster ist eben alles anders.

Dietrich Hilsdorfs Inszenierung steigert seine Essener Version in extrem bedrängende Szenen des Terrors, beginnt mit einer brutalen Folterszene am Grab Karls V., zeigt in bewegenden Details die Bösartigkeiten, die Menschen anderen Menschen antun - wenn das Machtsystem auf blutigen Terror gründet. Dazu erinnert er sich seiner stupenden Fähigkeit, aggressive Beziehungen hautnah zu inszenieren, die Menschen in ihrer Brutalität, Hilflosigkeit und Ambivalenz zu zeigen. Das Autodafé gerät zu einer menschenverachtenden Gewaltorgie unter der Macht des Klerus. Die Pointe ist umwerfend: Carlo flüchtet sich in die Arme des Großinquisitors.

Dieter Richters Bühne ist ein hermetischer Kerkerraum, überstrahlt durch aggressive Lichtfluter, das Folterbett als zentraler Ort des individuellen und strukturellen Terrors. Renate Schnitzers Kostüme zeigen die Akteure in dunklen unheildrohenden Alltagsgewändern.

Alex Vincens als Carlo ist eine sensationelle Verdi-Stimme: voller Holianita, mit ungebrochener Kraft in allen Lagen, dabei emotional bewegend und darstellerisch als schwankend-unbegriffener feiger Volksheld, Freund und Liebhaber von exzeptioneller Ausstrahlung. Stefan Adam ist ein kalkulierend-zwielichtiger Posa, weit weg von Schillers idealistischem Helden, mit vollem Bariton ohne jede Schwäche! Georg Zeppenfeld gibt einen brutalen Philipp, seine gespielte Nachdenklichkeit wird in der großen Arie zu einer eher verhalten angelegten Arie zu einer intensiv-differenzierten Charakterstudie mit differenziertem Klang. Neben dem diabolisch agierenden und ebenso klingenden Großinquisitor Kevin Bells ist es schwer, die weiblichen Akzente zu setzen: Ines Cromes Elisabeth ist eher hilfsloses Opfer als aktiv Handelnde, vermag ihren intakten dramatischen Sopran ergreifend einzusetzen, Anna Maria Di Miccos Eboli ist darstellerisch eine Eboli als giftige Schlange, hat einen kraftvollen Mezzo, aber Probleme in den Höhen-Attacken. Die akzentuierenden "kleineren" Rollen sind in Münster typengerecht mit stimmlicher Kompetenz besetzt. Und der Chor - auch im Zuschauerraum souverän agierend - artikuliert in voller Kraft (Leitung Peter Heinrich) mit imaginativem Ausdruck.

Will Humburg treibt das Symphonieorchester der Stadt Münster zu dramatischen Klängen, powert in extremen tutti, kostet spannungssteigernde Pausen dramatisch aus und unterstützt die phantastischen Solisten mit stimulierendem Brio.

Verdis "Don Carlo" - in Münster ein Opern-Ereignis von höchster Intensität. (frs)

Karten unter (0251) 41 467-100






Fotos: © Michael Hörnschemeyer