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Fakten zur Aufführung 

UN RE IN ASCOLTA
(Luciano Berio)
2. Februar 2008 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


Points of Honor                      

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Leben und Traum

Reales Leben, Theater-Realität, Theater-Projektion – Lebens-Traum, Theater-Traum – Imaginationen von Leben und Traum. Dies alles surrealistisch, konkretisierend, poetisch, philosophisch, resignierend komplex zusammenhängend – Berios so selten gespielte „Meta-Oper“ von 1984 ist ein Exempel für die untrennbare Komplexität der Gefühle, für ein neues Musiktheater ohne narrative Linearität und ohne glamourösen Gesang. Und doch: Shakespeares Sturm liefert die grundlegenden inhaltlichen Strukturen, ist Subjekt und Objekt des Geschehens – und vermittelt die ambivalenten Bedeutungs-Dimensionen.

Auf Münsters letzthin so biederer Bühne gelingt Ernö Weil das Theater-Wunder einer permanenten Illusion des ineinander verbundenen Wechselspiels von Leben und Traum. Da wird zum einen ein träumerisch-scheiternder Prospero als Theatermacher präsentiert, da findet zum anderen eine Theaterprobe zum „Sturm“ statt, da agieren die Figuren des Stücks und des Theaters durchaus real, sind aber zugleich Emanationen der Phantasie – appellieren permanent an die Gefühlswelten der Zuschauer, ohne eindeutige Signale zu geben.

Karin Fritz baut eine Bühne mit einem drehbaren, an zwei Seiten offenen Quader und hochaufragenden Wänden als Gänge – das alles in Weiß auf Schwarz, schafft eine „Traum-Realität“ ohne naturalistische Ablenkung; einzig ein Flügel verweist auf den durchgängigen Topos des Hörens von Musik – dem Mittel kommunikativer Vermittlung von Emotionen.

Münsters neuer GMD Fabrizio Ventura gibt vor Beginn den passenden Kommentar: „Verlassen Sie sich nicht auf Ihren Verstand – es geht um Gefühle!“ Und entsprechend dirigiert er das konzentriert-flexible Sinfonieorchester Münster: Betonen lyrischer Streicher-Tutti, Forcieren der Percussion, virtuose Holz- und Blech-Bläser – und das in vielschichtigem Zusammenspiel, mit Rücksicht auf die Gesangspartien und ohne Scheu vor durchaus pathetischen Emotionen – mon dieu, darum geht es ja (und nicht um eine intellektuelle Analyse der existentiellen Bedeutung von Theater-Kunst)!

Mit Andrew Mayor ist ein Prospero zu erleben, der die Wechsel von Sprechen, Sprechgesang und balsamischem Bariton virtuos beherrscht und mit bühnenpräsenter Ausstrahlung beeindruckt. Des weiteren sind 23 Rollen zu besetzen. Claudia Grundmann, Annette Johansson, Julia Neumann und Judith Gennrich geben den Sängerinnen authentisch-differenzierten Charakter, singen die so verzwickten Rollen mit höchster stimmlicher Kompetenz; so wie Thomas Stückemann, Jaroslaw Sielicki und Igor Durlowski die Sänger virtuos verkörpern. Georg Blüml gelingt mit dem Solo des Schauspielers Freitag ein Kabinettstück „komischer“ Verfremdung – und der kurze Auftritt Mario Brells als Arzt ist eine freudvolles Wiedersehen mit diesem sympathischen Sänger. Das gesamte Ensemble überzeugt durch einfühlsam-engagiertes Spiel und brillante sängerische Beherrschung der komplexen Berio-Vorgaben; der Chor agiert als Kollektiv durchaus eigener Individuen und besticht durch stimmliche Präsenz!

Im gut besuchten Theater hat sich ein aufmerksames Publikum versammelt, das Musik, Gesang und Handlung konzentriert folgt, sich dem Gebotenen hingibt und die authentische Aufführung offensichtlich nachhaltig mit-erlebt. Ein wunderbarer Abend „modernen“ Musiktheaters! (frs)

 








Fotos: Michael Hörnschemeyer