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Fakten zur Aufführung 

AIDA
(Giuseppe Verdi)
6.Oktober 2007 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster

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Aida am Nilufer

Ganz leise im Hintergrund zwitschern Vögel, ein leichter Wind scheint zu strömen – und der Blick fällt auf einen großen Garten mit alten Bäumen. Ein alter Mann im weißen Anzug läuft darin bedächtig auf und ab. Kein Zweifel: es ist Giuseppe Verdi höchstpersönlich. Und die breiten Wege, auf denen er schreitet, gehören zu seinem Landgut Sant’ Agata. Wir schreiben das Jahr 1870 – drei Jahre lang hat Verdi (nach seinem „Don Carlos“) keine Oper mehr geschrieben. Aber jetzt lockt Kairo mit einem Angebot, das er nicht abschlagen kann.

Hier setzt Regisseur Fred Berndt mit seiner Neuinszenierung der „Aida“ am Stadttheater Münster ein. Er holt den Komponisten auf die Bühne, der längst mit seinen Gedanken in ägyptischen Sphären schwebt. Ein Sarkophag, ein langsam sich in die Höhe emporreckender Obelisk, das Fragment einer riesigen Skulptur – Zitate jener fremden Welt, in die Verdi sich gerade hineindenkt. Fred Berndt inszeniert Verdis Weg zur fertigen „Aida“. Oder auch nicht!? Was tun, wenn man eine möglichst konventionelle „Aida“ auf die Bühne bringen möchte? Also eine mit Statuen, Schilf, Wüste und all den üblichen ägyptischen Accessoires? Und was, wenn man sich dabei nicht so ganz traut, das einem heutigen Publikum anzubieten?

Die Entstehungsgeschichte der „Aida“ als Regieansatz? Auf diese Weise können Probleme wie eine knallharte Machtpolitik, wie Gehorsam gegenüber dem Staat einfach links liegen bleiben. Was die Regie ins Zentrum rücken will, sind die ganz großen menschlichen Gefühle; Beziehungen, die Fred Berndt arrangiert und üppig ausstattet – aber nicht wirklich inszeniert. Und so spielt der dritte Akt tatsächlich am Ufer des Nils, ist der Königspalast im vierten Akt wirklich ein (etwas plump gebauter) Palast, ist das Gefängnis ein echtes Gefängnis. Alles wie im Libretto! Münster präsentiert eine aufwändig bebilderte Oper, die sich jedweder Interpretation enthält. Opernmuseum statt Musiktheater!

Der Premierenjubel des Publikums war exorbitant. Und das völlig zu Recht, wenn es denn der musikalischen Seite dieser „Aida“ gegolten haben sollte. Münster setzte auf Gäste – und traf bei den drei Hauptrollen absolut ins Schwarze. Mario Zhang als Radames: eine kernige, sehr bewegliche Stimme, voller Kraft und gesegnet mit geradezu unerschöpflicher Energie. Fantastisch Andrea Baker als Amneris mit satter Tiefe und durch alle Register hindurch sehr ausgeglichenem Mezzo. Überragend Kristin Lewis in der Titelrolle, die Piano-Töne zauberte, bei denen das Blut in den Adern gefror. Das große Duett Aida/Amneris zu Beginn des zweiten Aktes: zwei vortrefflich zueinander passende Stimmen! Dann Aidas Zwiesprache mit Radames am Nilufer – ganz intensive Augenblicke!

Nicht ganz auf diesem Niveau bewegte sich Dirigent Fabrizio Ventura mit dem Sinfonieorchester Münster, das ordentlich spielte, von auffällig häufigen Intonationsschwächen der Streicher einmal abgesehen. Doch wirkliche Spannung, das Elektrisierende an Verdis unvergleichlicher Musik stellte sich am Premierenabend (noch) nicht ein. Da hat Ventura, Münsters neuer Generalmusikdirektor, der hier seine erste Oper dirigierte, noch nachzubessern.

Gleichwohl: mit dieser „Aida“ hat Münster zumindest musikalisch endlich jenen Erfolg, den das Haus nach vielen mittelmäßigen Produktionen der letzten zwei, drei Spielzeiten unbedingt braucht. (cws)

 

 


Foto: © Michael Hörnschemeyer