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Fakten zur Aufführung 

WERTHER
(Jules Massenet)
6. Juli 2003 (Premiere)


Staatstheater am Gärtnerplatz (München)




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Pastellfarbene Kälte

Er ist eine Kaspar-Hauser-Figur dieser Werther, in einer verklemmten Gesellschaft, die ihre eigenen Emotionen kaum kennt, geschweige denn an ihre Grenzen zu gehen gewagt hat. Charlotte wagt die Grenzüberschreitung, ob sie allerdings gewinnt oder verliert, das lässt auch Julia Riegels Münchner Neuinszenierung von Massenets Meisterwerk offen.

Die Bühne wird durch eine (vermutlich von Werther) gezeichnete Dorfidylle in eine Innen- und Außenwelt geteilt. Pastellfarben bestimmen die Kostüme der Goethezeit und die Strandszenerie der ersten beiden Akte (Ausstattung: Caroline Neven Du Mont). Bis zum letzten Akt verwandeln sie sich ins dunkle Blau einer technisch beeindruckend durchstürmten Winternacht. Am Ende wird Werther von einem kleinen gleichgewandeten Jungen an der Hand genommen und fortgeführt. Charlotte bleibt einsam im Schnee zurück, doch mit ihr zu empfinden fällt schwer.

Riegels Inszenierung überrascht selbst mit steigender Abstraktion im Laufe der Oper nie mit Ungewohntem, Unkonventionellem und erreicht kaum emotionalen Tiefgang. Sophie, Albert und Charlotte bleiben kühl und emotional glatt, sind Produkte ihrer oberflächlich am Kommerz interessierten schönen Scheinwelt. Der durchgeknallte Träumer Werther bleibt als Fantast ebenso schwer greifbar. Das Ergebnis ist schön anzusehen, kann jedoch, im herben Gegensatz zur leuchtenden Musik, nicht ergriffen machen.

Dieser Musik versteht Dirigent Constantinos Carydis mit viel Gespür kleinste solistische Feinheiten zu entlocken. Er sucht das differenzierte "piano" und "mezzoforte" schillernd zu beleben und vermeidet zumeist ein grobes Aufdonnern. Eine Interpretation, die sich an Riegels eindimmensionaler Personenregie reiben musste.

Harrie van der Plas entsprach äußerlich einem Werther. Sein metallischer Tenor aber erreichte die stabil kraftvollen Höhen nur mittels enervierender Operettenschluchzer. Seine Darstellung entbehrte einer lyrischen Wärme und Leichtigkeit, der zugegebenermaßen gerade die Anstrengungen in den letzten beiden Akten der Partitur entgegenstehen. Dass deutsch gesungen wurde, schien besonders Ann-Katrin Naidu zu behindern. Ihr Legato wie ihr Lyrizismus litten unter der deutlichen Aussprache und schufen eine im Einzelton klangschöne, doch insgesamt kühle Interpretation. Torsten Frisch (Albert) und Márta Kosztolányi (Sophie) anfangs noch etwas blass, sangen sich sukzessive frei, ohne geschärftes Profil zu entwickeln.

Das volle Haus quittierte die optischen Streicheleinheiten, aber auch die sängerischen Defizite mit begeisterten Bravos für Regie und Darsteller. Keine hörbar enttäuschten Schluchzer. (tv)






Fotos: © J. Seyerlein