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Fakten zur Aufführung 

VERSUCHUNG
(Qu Xiao-song)
15.Mai 2004


9. Münchener Biennale
(Carl-Orff-Saal/Gasteig)




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Mehr Klang, weniger Raum - weniger Klang, mehr Raum

".in die Fremde" heißt das Motto der 9. Münchener Biennale. Passend dazu erscheint die Uraufführung der Oper "Versuchung" von Qu Xiao-song, denn das Werk des chinesischen Komponisten führt sein Münchner Publikum sowohl thematisch als auch musikalisch in eine fremde Welt.

Mit seiner Librettistin Wu Lan hat Qu Xiao-song einen klassischen chinesischen Stoff aus dem 18. Jahrhundert umgesetzt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Weise Zhuang Zhou, der die Treue seiner Frau auf die Probe stellt, indem er seinen Tod vortäuscht. Hintergrund ist die alte chinesische Sitte, die von Frauen verlangt, nach dem Tod ihres Mannes ein keusches Leben zu führen. Prolog und Epilog bilden eine Art Rahmenhandlung, die jeweils in der Unterwelt stattfindet.

Sabrina Hölzer inszeniert diese Geschichte von Liebe und Tod ganz in der Tradition des hochartifiziellen und stilisierten Kunqu-Theaters. Das Agieren der Darsteller beschränkt sich auf ein Minimum, jede Geste und Mimik ist einstudiert. Die prachtvollen chinesischen Kostüme und Masken unterstreichen diesen Eindruck und kommen in dem von Etienne Pluss spartanisch gestalteten Bühnenraum besonders zur Geltung. Perfektioniert wird dieses hochästhetische Bühnenkonzept durch effektvolle Lichtspiele von Jeannot Bessièret.

Auch musikalisch hat der Zuhörer viele fremde Eindrücke zu verarbeiten, denn Qu verwendet in erster Linie traditionelle chinesische Instrumente, die er mit Streichern kombiniert. Wer hier Ansätze von Cross-over erwartet hat, wird enttäuscht. Qu nutzt die Streicher nur um stehende Clusterklänge zu erzeugen, die ihm für den Charakter seiner Musik als Farbe dienen. Überhaupt vorherrschende Mittel sind Glissandi und Cluster, die sich mit percussiven Abschnitten abwechseln. Das innere Tempo der Oper wirkt auf weite Strecken wie eine Klang gewordene Meditation.

Vier chinesische Gesangssolisten sind in den Solopartien zu erleben. Exotisch anmutend in Klang und Körpersprache fallen Shi Xiao-mei (Prinz Chu) und Kang Jian-hai (Schamane) auf. Beide sind bekannte Künstler des traditionellen chinesischen Theaters und unterscheiden sich deutlich von ihren westlich geschulten Kollegen Gong Dong-jian (Zhuang) und Wu Bi-xia (Mme.Tian).

Die Intension des Komponisten Qu, "weniger Klang, mehr Raum", zieht sich konsequent durch die Oper. Ob das Münchner Publikum wohl unter Einfluss dieses sedativ wirkenden Klangteppichs so ruhig und verhalten applaudierte? Oder lag es an der kühlen Distanziertheit, die das Werk in all seiner Ästhetik ausstrahlt? Denn es fällt schwer mit dieser Oper wirklich warm zu werden, bewahrt sie doch selbst in ihren abgründigsten Momenten eine nahezu klinische Reinheit. (ecd)


"Versuchung" ist in Berlin vom 20 - 23. Mai 2004, 20 Uhr in Hebbel am Ufer zu sehen und DeutschlandRadio wird am 5. Juni 2004 ab 19:30 Uhr eine Aufzeichnung ausstrahlen.