|
Mit Sinn für Sinnlichkeit
Ein Mann, zerrissen zwischen Liebe, Kunst, Religion und gesellschaftlicher
Pflicht - das ist Heinrich Tannhäuser. Verkörpert wurde er an
diesem Abend von Stig Andersen, der eine darstellerisch überzeugende,
stimmlich teilweise etwas angestrengte Leistung bot. Die Inszenierung
von David Alden
aus dem Jahr 1994 legt großen Wert auf die inneren Vorgänge
der Personen, fordert vom Titelhelden aber auch großen körperlichen
Einsatz. Andersen ließ die menschliche Seite des Ritters und dessen
Seelenqualen deutlich spüren.
Die freiwillige Emigration aus seiner thüringischen Heimat und dem
Kreis der Minnesänger verbringt Tannhäuser bei Venus, findet
bei ihr eine Zeit lang höchste Befriedigung seiner Sehnsüchte
und künstlerische Inspiration. Das ist kaum verwunderlich, wird Venus
von einer Frau wie Nadja Michael
gesungen:
Sinnlichkeit pur in Stimme und Darstellung. Die Anziehungskraft der blonden
Venus sowohl optisch in goldener Corsage mit blutrotem Samtrock (Kostüme
Buki Shiff) als auch durch ihren in allen Lagen präsenten, dunkel
timbrierten Mezzo war stark.
Tannhäuser verlässt sie dennoch, kehrt zurück in seine
alte Welt. Eine weiße Wand mit drei Türen macht diesen Schritt
auf der Bühne, designt von Roni Thoren, deutlich. "Germania
nostra" ist eine düstere Welt mit kriegerischen Menschen, in
die Tannhäuser allerdings Elisabeth zuliebe zurückkehrt.
Die Hallenarie Elisabeths sang Emily Magee vor den drei weißen Türen:
psychologische Vieldeutigkeit in der Regie, stimmlicher Wohlklang und
große Präsenz von Seiten der überzeugenden Sopranistin.
Souverän und würdevoll sang Jan- Hendrik Rootering den Landgrafen
Hermann, einen großen Erfolg verbuchte auch Simon Keenlyside als
Wolfram von Eschenbach, der die Arie an seinen holden Abendstern in echter
Verzweiflung und zwischen Gefühl und Kontrolliertheit schwankend
beeindruckend vortrug.
Jun Märkl am Pult führte das Bayerische Staatsorchester, Chor
und Solisten differenziert mit stellenweiser Neigung zu etwas breiten
Tempi, die bisweilen den wagnerschen Fluss ins Stocken brachten. Die heldenhaften
Töne ließen keine Wünsche offen, bei den feineren kam
das Klanggerüst manchmal zart ins Wackeln.
Das Publikum im ausverkauften Haus genoss den Abend hörbar, schon
zu den beiden Pausen wurden die Solisten mit herzlichem Beifall bedacht.
Am Schluss gab es heftige Bravi und Fußgetrampel für Nadja
Michael, Emily Magee und Simon Keenlyside, für den Titelhelden fiel
der Beifall etwas schwächer aus. (if)
|
|