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Edita I. von München
Arme Edita Gruberova! Die Koloratursopranistin ist jetzt in einem Sängeralter,
das Kritikern in jeder Rezension gebietet, im Hinblick auf ihren Gesang
meist mit Verweis auf ihr Alter in Ehrfurcht zu versinken. Dabei sind
diese bewundernswert unbeschadete Stimme, dieses himmlische "messa di
voce", die triumphierenden Spitzentöne laut ihres Statements nur eine
Frage eiserner Disziplin. Eine ungemütliche Aussage im Starbetrieb.
Doch die Gruberova brilliert nicht nur als Königin Elisabetta I. von Britannien
in Donizettis Psychodrama "Roberto Devereux" durch stupende Wiedergabe
musikalischen Blendwerks, sie gestaltet die Läufe, Kaskaden und Triller
des Belcanto mit vollkommenem Verständnis für ihren emotionalen Gehalt.
Mit 58 ist sie wirklich die Königin.
Regisseur Christof Loy lenkt in seiner Inszenierung das Augenmerk auf
die bloßliegenden Gefühle der Protagonisten, indem er sich das Pathos
einer kostümprunken Ausstattung versagt. Freilich wären gleiche Gefühlsdesaster
auch im Gewand von 1601 denkbar, doch wirken Eifersucht, Wut, Stolz, Liebe
und Unfähigkeit in grauen Anzügen, knielangen Röcken und einem Ambiente,
das vorgibt die riesige, kalte Lobby eines noch größeren Bürogebäudes
zu sein, unmittelbarer und ungeschminkter (Ausstattung: Herbert Murauer).
Loys Regie verzichtet auf die staatstragende Story des Stücks, er zeichnet
mit kleinen und kleinsten Gesten glaubhaft die inneren Zustände der Akteure,
ohne sie im Singen zu behindern. Er macht betroffen, indem er Szenen überlagert,
Personen noch im Angesicht ihrer Geliebten oder Peiniger auftreten lässt
und damit ihre Handlungsstarre bei kochenden Emotionen bloßlegt. Das beeindruckendeste
Bild gelingt am Schluss: "Wo mein Thron stand, erhebt sich ein Grab" singt
(italienisch) Elisabetta, zieht sich die rotgoldene Perücke vom Kopf und
zeigt das graue, schüttere Haar einer alten, verbitterten Frau.
Auch die übrige Besetzung ließ aufhorchen und ergänzte geschickt die Dramaturgie
der Oper. Die Sara von Jeanne Piland mit reif glühendem, dunklem Mezzo
schien für den jugendlich tenoralen, bisweilen mit Kraft singenden Roberto
von Zoran Todorovich eigentlich schon zu alt, was seiner Liebe das Kalkül
eines Machos beimischte. Paolo Gavanellis Nottingham hingegen strahlte
mit mächtigen Tönen und bassbaritonaler Farbe auch emotionale Wärme und
Freundlichkeit aus, die seine Eifersucht dramatischer und seine Rache
brutaler machten.
Friedrich Haider stand als Spezialist für diese Oper vor dem verschlankten
Staatsorchester. Mittels eines Maximums an differenzierter, doppelsinniger
Orchestersprache, musizierten er und seine Musiker ein modernes Psychogramm.
Das ausverkaufte Haus tobte wie ein Fußballstadion, als sich am Ende der
Vorhang für eine allein öffnete, die Königin. (tv) |
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