Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

ORPHÉE ET EURYDICE
(Christoph Willibald Gluck)
29. Oktober 2003


Bayerische Staatsoper München



Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Orphée - ein Held aus Thrakien

Im "Orphée" erlebt sich das Musiktheater immer wieder selbst, denn Orphée ist der Ur-Opernstoff und sein thrakischer Held der Ur-Sänger. Auch Gluck hat "Orphée" zum Meilenstein seiner Opernreform gemacht und mit solch himmlischer Musik versehen, dass sich Hector Berlioz 1859 zu einer "Reproduktion" hinreißen ließ. Diese erklang in München in der Regie und Choreographie der vielgelobten Nigel Lowery und Amir Hosseinpour; in der Titelrolle die phänomenale Thrakerin Vesselina Kasarova.

Das Regieduo hat sich die Opern-Querverweise des "Orphée" zunutze gemacht und mit augenzwinkernder Leichtigkeit ein Stück im Stück inszeniert, ein Märchen. Zu Beginn sitzt Orphée im leeren, bis zur Brandmauer offenen Bühnenraum - ein Orchestermusiker im Frack ohne Instrument, den auch der Chor aus Orchestermusikern nicht trösten kann. Erst ein quirliger Amor mit roter Nase und Puffhose vermag Orphée Mut und Geige wiederzugeben. Das Licht im Saal verlischt und das Spiel beginnt. Orphée steht in der Hölle, einer großen Küche, wie aus einem Disneyzeichentrick, in dem unsere Orchesterleute von umtriebigen Köchen im riesigen Herd oder Töpfen geschmort werden. Durch den Einsatz seiner Geige befreit Orphée die Musiker, die sich in einem Reigen seliger Geister ihrer ursprünglichen Profession zuwenden, federnd leicht ihre Instrumente schwenkend.

Die Regisseure haben auf viele Stereotypen von Hölle und Elysium verzichtet und wagen für das doch Unbekannte den irritierenden Blick eines Kindes. Das pastellfarbene Elysium erinnert an Kindertage, mit Stofftieren und einem knuffigen Eisbär. Am Ende glotzt das pensionierte Paar in den Fernseher. Hosseinpour hat darin ihre Geschichte ohne happy end in ein freches Ballett verwandelt.

Die Kasarova ließ an diesem Abend den ganzen Reichtum ihres farbigen Mezzo erklingen. Durch feinsinnige und vielseitige Gestaltung, die zu immer neuen Glücksmomenten führte, verschmolz sie mit ihrer Rolle. Diese ausdrucksstarke Künstlerin setzte vollendet die umwerfende, volltönend runde Tiefe und das zarte Mezza voce ihrer Höhe nebeneinander. Dagegen konnten Rosemary Joshua (Eurydice) und Deborah York (Amor) nicht bestehen. Yorks kleiner, schlanker Sopran klang leicht nasal und schien vor allem mit dem leeren Raum zu kämpfen. Joshua führte ihre Stimme elegant und mit klanglicher Krone, doch ohne charakteristische Note.

Im Orchester unter Ivor Bolton tobte trotz der romantischen Bearbeitung eine Barockoper mit scharfen Akzenten und dennoch warm fließenden Passagen. Duftig leicht und exakt begleitete es die Ballette; grandios auch die Leistung des Opernchores.

Die Leistung des Publikums wäre gewesen, ständiges Husten zu bekämpfen. Am Ende schienen die Münchner nicht nur krank, sondern auch müde. Kurzer Applaus für einen tollen Abend. (tv)






Fotos: © Wilfried Hösl