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Fakten zur Aufführung 

ORLANDO
(Georg Friedrich Händel)
22. Mai 2005
(Premiere: 19.5.06)

Bayerische Staatsoper München

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Menschliche Bomben

Nach dem 2. Golfkrieg, dem zwischen Saddam und Bush dem Älteren, schien die Weltmacht zu glauben, Siege würden nur mehr durch das beste Material davon getragen. Der Mensch als Kampfmaschine? Überflüssig. Golfkrieg Nr. 3, der zwischen den Irakern und Bush dem Jüngeren, zeugt vom Gegenteil. Mann gegen Mann, so wird Krieg geführt und verbraucht Helden. Georg Friedrich Händel gibt mit „Orlando“ einen herben Kommentar zum Heldenmachen ab. An der Bayerischen Staatsoper erlebte das Werk von 1733 in der Regie David Aldens seine Münchner Erstaufführung.

Alden ist in den 13 Jahren der Intendanz von Sir Peter Jonas zum Hausregisseur aufgestiegen. Allein sieben Barockopern hat er in Szene gesetzt und dabei die Interpretationsgeschichte vor allem von Händels Opern nachhaltig bereichert. Poppig in der Farbwirkung, trashig in der Ausstattung, aber vielschichtig in den Handlungen sind Aldens Arbeiten, die nie ohne eine Bühne Paul Steinbergs und Buki Shiffs Kostüme auskommen. Auch „Orlando“ ist mit all diesen Zutaten ein typischer Alden geworden, was manche Zuschauer noch vor der Ouvertüre zum Buhen animierte. Doch im Gegensatz zu seiner etwas kraftlosen „Rodelinda“ und der bloß bunten „La Calisto“ findet „Orlando“ zu kraftvollen Aussagen zurück.

Alden führt sie vor, die Kriegstreiber in ihren grauen Anzügen, Leute wie die Bushs, aber auch die namhaften und namenlosen Handlanger wie den Raketenbauer Wernher von Braun, dem der knorrig agil singende Alastair Miles als Zoroastro angeähnelt wurde. Aus Orlando will er eine Kampfmaschine für einen offenbar gerade tobenden Krieg machen. Das Ambiente, die Kostüme und Accessoires deuten zwar auf die 50er Jahre, als viele lernten, die Bombe zu lieben, doch Kriegszeiten sind bekanntlich alle Zeiten.

Zoroastroas Feind ist die Liebe Orlandos zu Angelica, der Rosemary Joshua ihren glasklaren, leider nicht immer intonationssicheren und selten zur Ruhe findenden Sopran lieh. Doch Orlando in der Gestalt des wunderbar ergriffen und leidenschaftlich singenden Countertenors David Daniels hat keine Chance, denn die naive Angelica verfällt wie die warmherzige Dorinda der gefeierten Olga Pasichnyk dem Araber Medoro, verkörpert durch die edel tönende Altistin Beth Clayton. Sie alle sieht Alden als Elemente einer mehr oder minder arrangierten Versuchsanordnung Zoroastros, die letztlich zu einer Gehirnwäsche Orlandos führen soll. Mit Erfolg. Orlando schwört nicht nur der hoffnungslosen, sondern jeder Liebe ab, wird Mensch, den man als Bombe liebt.

Aldens Bilder vergewaltigen Händels Adaption aus Ariosts „Orlando furioso“ keineswegs. Unterstützt wird er vom vorwärts treibenden, doch auch gedankenvollen Dirigat von Ivor Bolton. Der hat sich wie Alden für diese vorerst letzte gemeinsame Produktion noch einmal ins Zeug gelegt und ist vom bisweilen arg ruppigen Sound erfreulicherweise wieder abgerückt. Vor allem ihm, dem Publikumsliebling, gilt der tosende Applaus des Publikums. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl